Julia Extra Band 0309
Sommertag verglichen hast.“
Er beugte sich vor.
„Soll ich dich mit einem Sommertag vergleichen? Nein, du bist lieblicher und frischer weit.“
Es vergingen einige Sekunden, ehe sie die Sprache wiederfand. Sie saß einfach da und suchte vergeblich nach dem ironischen Unterton bei den zitierten Worten. Stattdessen versank sie in seiner Stimme, seinen Worten, seinen Augen, seinen Möglichkeiten.
Das ist nicht der Grund, warum du dich mit ihm triffst, sagte sie sich langsam, als nähere sie sich einem unbekannten und möglicherweise gefährlichen Tier. Du magst es genießen, die unsichtbaren Dämonen deiner Kindheit zu erlegen, doch er ist noch immer die größte aller Unwahrscheinlichkeiten.
Sie löste die verschränkten Arme, umfasste den Rand der Kiste, stellte ihre Füße wieder auf den Boden und schlüpfte in ihre Schuhe. „Es ist spät geworden.“
Cameron nickte. „Nachdem Brendan aufgelegt hatte, rief mein Projektmanager an.“
„Der gute alte Bruce.“
Lächelnd streckte Cameron seine Hand aus. Ihr war nicht bewusst, wie kalt ihr war, bis sie die Wärme seiner Hand spürte. Er zog sie mühelos auf die Beine, und die Zeit blieb stehen, als sie gemeinsam durch das Labyrinth von Baumaterial liefen und jede einzelne Kerze ausbliesen.
„Sollen wir nichts mit hinunternehmen?“, fragte sie, einen letzten sehnsüchtigen Blick auf die romantische kleine Nische zurückwerfend.
„Darum kann sich morgen früh jemand kümmern.“
„Da haben wir’s“, sagte sie kopfschüttelnd. „Du hältst dich immer noch für den Mittelpunkt der Erde.“
Er hob das Kinn. „Weißt du was? Der Gedanke gefällt mir.“
Die Fahrstuhltür schob sich vor Stahl und Beton, gelöschte Kerzen und den leuchtenden Horizont, und Rosie musste zugeben, dass Cameron nicht ganz unrecht hatte.
„Wo hast du geparkt?“, fragte er, als sie wieder auf der Straße standen.
Sie machte eine vage Bewegung mit der Schulter. „Die Straße runter.“
„Ich bringe dich hin.“
„Das brauchst du nicht. Diese Stiefel haben zwar keine Stahlkappen, aber ich weiß, wohin ich damit treten muss, wenn es Ärger gibt.“
Das Wort wäre ihr fast in der Kehle stecken geblieben. Denn Camerons Blick bedeutete Ärger. Ihr heftiges Verlangen, das sie davon abhielt, zurückzuweichen, als er noch näher kam, bedeutete ebenfalls Ärger.
Sie versuchte verzweifelt, sich Zeit zu verschaffen. „Ich wollte dich schon die ganze Zeit fragen, was du gestern Morgen eigentlich im Planetarium wolltest?“
Er hielt inne. Erleichtert atmete sie auf.
„Ich habe mich versteckt“, sagte er.
„Nein! Doch? Ehrlich? Vor wem?“
„Vor meiner Schwester Meg. Sie trank dort mit ein paar Freundinnen Kaffee, eine von ihnen war Tabitha.“
Rosies Lachen durchbrach die stille Nacht. „Tabitha auf Koffein? Kein Wunder, dass du dich versteckt hast.“
Seine Augen glitten über ihr Gesicht und blieben an ihren Lippen hängen. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Jede Faser ihres Körpers prickelte bei dem Gedanken, wie es sich anfühlen würde, seine Lippen auf ihren zu spüren.
„Wusstest du, dass Venus der heißeste Planet in unserem Sonnensystem ist?“
Fünf Zentimeter bevor er ihre Lippen berührte, zögerte er.
„Und während Venus die römische Göttin der Liebe war“,fuhr sie fort, „hieß sie in der griechischen Mythologie Aphrodite und bei den Babyloniern Ischtar.“
Er war jetzt so nah, dass sich ihr Atem vermischte.
„Hast du je diesen Film gesehen? Ischtar? Wie hieß noch mal diese französische Schauspielerin?“
„Rosalind?“
„Nein, das glaube ich nicht. Ich hätte ihren Namen bestimmt nicht vergessen, wenn …“
„Rosalind“, knurrte er.
„Ja, Cameron?“
„Halt den Mund, damit ich dich küssen kann.“
„Ja, Cameron“, flüsterte sie, doch es ging unter, weil seine Lippen endlich, endlich ihren Mund fanden.
Erinnerungen an frühere Küsse zerfielen zu Staub. Alle anderen Männer, zu denen sie sich jemals hingezogen gefühlt hatte, schmolzen zu einem grauen, konturlosen Nichts, und das unbeschriebene Blatt in ihrem Kopf füllte sich mit Cameron.
Sie legte eine Hand in seinen Nacken, grub die Finger in sein kräftiges Haar und zog ihn an sich. Der Kuss raubte ihr den Atem, den Verstand und die Sinne, bis sie sich Cameron entgegenwölbte wie ein kleines Bäumchen, das hilflos dem Sturm ausgeliefert war. Hilflos, schutzlos, verloren …
Der Wind in ihren Ohren nahm erst ab, als der Kuss vorbei war. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe
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