Julia Extra Band 0315
wüsste. Wir sind nur zwei Stunden geritten, den restlichen Tag haben wir Geschäftliches erledigt. Was genau meinen Sie mit seltsam?“ Der König hörte sich amüsiert an.
„Er war so ganz und gar nicht sein übliches brillantes Selbst.“ Dass Amir sie nackt im Bad erwischt hatte, brauchte König Faruq nicht zu wissen.
„Ich verstehe.“
Es klang keineswegs danach, aber mehr würde Grace ihm nicht erklären. „Entschuldigen Sie bitte die Störung, König.“
„Keine Ursache. Sie können mich jederzeit anrufen, wenn Sie einen Wunsch haben.“
Offenbar steckte eine Nachricht in den Worten, die Grace allerdings nicht klar war. So bedankte sie sich nur und legte auf.
Langsam ging sie ins Bad zurück. Warum hatte Amir sich so völlig untypisch benommen? Und warum war er überhaupt zu ihr gekommen? In den letzten fünf Jahren hatten sie einander eigentlich immer von ihrem Tag erzählt, wenn sie diesen getrennt voneinander verbracht hatten. Auf diese Art hatte Grace mehr von seinen Liebschaften erfahren, als sie wissen wollte. Dennoch hatte sie die enge Vertrautheit immer genossen.
Nur hätte er dieses Mal mit ihr nicht über die Verabredung mit einer Frau sprechen können. Vielleicht gab es ja ein Geschäft, zu dem er ihre Meinung hören wollte. Nun, sie hatte ihm bereits gesagt, dass das warten musste.
Grace stieg zurück in die Wanne. Da sie hinsichtlich seines seltsamen Verhaltens jetzt weder etwas unternehmen noch es begreifen würde, konnte sie genauso gut ihr luxuriöses Bad weiter genießen – diesmal hoffentlich ungestört.
Amir schwang das szimitar in einem langsamen Abwärtsbogen als Teil einer Bewegungsfolge, die die Männer seiner Familie seit Tausenden von Jahren nach genau festgelegten Regeln vollzogen. Das Krummschwert lag perfekt in seiner Hand, schließlich war es für ihn persönlich angefertigt worden.
So beruhigend das Training mit dem Krummschwert im Allgemeinen auch war, heute half es Amir nicht zu vergessen, was ihn so aufwühlte – seine Reaktion auf den Anblick einer nackten Grace in der Wanne. Es ergab keinen Sinn. Dass er sich zu seiner Assistentin hingezogen fühlte, damit konnte er umgehen. Schließlich folgte körperliches Verlangen keiner Logik. Nur fand er es absolut inakzeptabel, dass ihr Anblick ihn derart gelähmt haben sollte, dass er nicht einmal in der Lage gewesen war, den Raum zu verlassen.
Er hatte sich völlig zum Narren gemacht. So sehr, dass sie ihn sogar gefragt hatte, ob er sich vielleicht einen Sonnenstich zugezogen hätte. Kopfschüttelnd über so viel Ahnungslosigkeit wäre er beim nächsten Schritt fast gestrauchelt.
„Brauchst du einen Trainingspartner?“ Zahirs Stimme durchdrang Amirs trübe Gedanken.
Dankbar drehte er sich zu seinem Bruder um, der genau wie er nur eine weite Hose trug. „Immer.“
Zahir stellte sich in Position. Eine halbe Stunde fochten sie miteinander und ließen dann, beide schweißüberströmt, wie auf ein geheimes Kommando gleichzeitig die Schwerter sinken und verbeugten sich voreinander.
„Hast du deine Dämonen vertrieben?“, fragte Zahir.
„Glaubst du, das ist es, was ich tue?“
„Ich erkenne den Ausdruck in deinen Augen, weil ich ihn auch in meinen Augen schon gesehen habe.“
Sofort vergaß Amir die eigenen Sorgen. „Gibt es etwas, über das du reden möchtest?“
Obwohl Zahir das verneinte, bemerkte Amir den unglückliche Ausdruck im Blick seines Bruders.
„Ist zwischen dir und Vater alles in Ordnung?“, erkundigte er sich.
„So in Ordnung, wie es zwischen zwei charakterstarken Männern eben sein kann, die beide den eigenen Kopf durchsetzen wollen.“
„Kehrt er dir gegenüber oft den Herrscher hervor?“
„Nein, dafür respektiert er mich zu sehr.“
„Ich beneide dich nicht.“
Mit einem Handtuch rieb Zahir sich den Schweiß von Stirn und Armen. „Ich weiß. Du und Khalil, ihr seid zu intelligent dafür.“
„Wir lieben dich.“ Amir rieb sich ebenfalls ab.
Jetzt lächelte Zahir beinahe. „Ich liebe euch beide ja auch.“
„Selbst wenn du um die halbe Welt reisen musst, um mir die verärgerte Botschaft unseres Vaters zu überbringen?“
„Vor allem dann. Und ich kann nicht sagen, dass ich es bedauern würde, dass Prinzessin Lina sich der Absprache zwischen unseren Vätern widersetzt hat.“
„Danke.“ Vielleicht hatte Grace ja doch recht. Vielleicht würden seine Brüder ihn tatsächlich unterstützen, auch wenn er einen anderen Pfad einschlagen sollte als den vom Vater
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