Julia Extra Band 0318
bezweifelte, dass eine Frau sich je an Ben Anderson mit nacktem Oberkörper sattsehen konnte.
Er hatte die perfekte Figur eines Posterboys – schlank, muskulös, mit straffer makelloser Haut. Ein schmaler Streifen Erde lief quer über die gut sichtbaren Bauchmuskeln. In der Halsgrube glänzte Schweiß. Seine Jeans, fast vollkommen ausgebleicht vom häufigen Waschen, saß tief auf den Hüften. Bens Bauch war so flach, dass zwischen dem Hosenbund und seinem Körper ein kleiner verführerischer Spalt klaffte.
Fasziniert beobachtete Beth, mit welcher Leichtigkeit er den Hammer hob und wie sich bei jedem Schlag seine Muskeln spannten. Beinahe fühlte sie sich schwindelig. Übers Internet hatte sie diese Art von Erregung nicht empfunden, so viel stand fest.
Dass sie sich so von seinem Körper angezogen fühlte, beschämte sie. Aber er war so real . Kein Wunder, dass sie ihre virtuelle Internetromanze so genossen hatte: Dort hatte alles mit sicherer Distanz stattgefunden. Die Nähe eines realen Mannes hingegen konnte durchaus verstörend sein.
Beth hätte gern auf das Wissen verzichtet, dass es in ihr diesen Hunger gab. Jetzt, da sie ihn spürte, gab es kein Zurück in den früheren Zustand mehr. Was sollte sie tun? Ihm nachgeben? Dagegen ankämpfen?
Heute war der dritte Tag, an dem Ben und Kyle bei ihr im Garten arbeiteten. An den ersten beiden Tagen waren sie direkt nach der Schule gekommen, weshalb sie nicht sehr lange geblieben waren und Ben sein Hemd anbehalten hatte. Aber auch seinen Umgang mit Kyle fand sie schon attraktiv genug. Er behandelte ihn mit genau der richtigen Mischung aus Strenge und Zuneigung. Beth sah ein, wie falsch ihr erstes Urteil über Ben – dass er nie ein Ehemann und Vater werden würde – gewesen war. Nun, wo sie seine Geduld mit Kyle sah und die Art, wie er ihm beibrachte, eigene Entscheidungen zu fällen, war sie sich sicher, dass Ben eines Tages ein großartiger Vater sein würde. Auch in seiner Rolle als Vormund – und Vorbild – schien er sich zunehmend wohler und sicherer zu fühlen.
Heute war Samstag, und die beiden waren bereits früh am Morgen gekommen. Sie wollten den ganzen Tag arbeiten.
Der Summer des Backofens ertönte, und Beth verließ widerwillig ihren Platz am Fenster, um die Schokoladenkekse aus dem Ofen zu nehmen. Während sie abkühlten, quälte sie sich mit der Entscheidung, ob sie Milch oder Limonade dazustellen sollte. Milch würde besser zu den Keksen passen, Limonade besser zu dem warmen Tag.
Das kommt davon, wenn du so einen Mann in deinen Garten lässt. Jede Entscheidung wurde plötzlich schwierig. Die Entscheidung für Milch oder Limonade würde ihm sicher etwas über sie verraten. Schließlich stellte sie beides auf das Tablett, um ihn zu verwirren.
Bens Gartenprojekt tat Kyle nicht nur gut, nein, sein ganzes Verhalten änderte sich auf beeindruckende Weise. Es schien, als wäre er sich vorher nicht bewusst gewesen, dass er für die Welt einen Wert besaß. Jetzt, da er sah, was harte Arbeit – seine harte Arbeit – bewirken konnte, erkannte er diesen Wert.
Als Ben den Bauplan für das Baumhaus präsentiert hatte, hatte er Kyle in alles mit einbezogen, ihn nach seiner Meinung gefragt und diese respektiert. Auch Beth hatte er genau zugehört und ihre Ansichten berücksichtigt.
Sein Plan bestach durch Einfachheit: eine Wendeltreppe, die sich um den Stamm nach oben wand. Die Stufen waren nicht direkt am Stamm befestigt, da Ben den Baum nicht verletzen wollte. Die Treppe führte zu einer einfachen Plattform mit Geländer.
Bens Sorge um den Baum hatte Beth überrascht. Gleichzeitig bestätigte es ihr Gefühl, dass sich hinter seinem rauen Äußeren und den harten Muskeln ein einfühlsamer und bedachtsamer Mensch verbarg, auch wenn er es wohl abgestritten und sie dafür ausgelacht hätte.
Aber der einfache Plan war aufwendiger in der Umsetzung, als Beth gedacht hatte. Es musste viel aufgegraben werden, was anschließend wieder gefüllt und festgestampft wurde. Das Feststampfen übernahm eine fahrbare „Vibrationswalze“, die aussah wie ein überdimensionaler Rasenmäher, nur dass sie viel schwerer und zudem eigensinniger war.
Beth hatte darauf bestanden, die Walze auszuprobieren. Also hatte Ben den Motor angelassen, und sie hatte versucht, die Maschine um den Fuß des Baums zu steuern, wo ein Betonfundament entstehen sollte. Die Walze vibrierte und wackelte wie wild unter ihr. Beth wurde so stark durchgeschüttelt, dass ihr fast der Kopf
Weitere Kostenlose Bücher