Julia Extra Band 0318
leichter Akzent mitgeschwungen – vielleicht südamerikanisch – und eine Autorität, die Marianne noch vor kurzem eingeschüchtert hätte. Aber in den Wochen und Monaten, in denen sie Donal bis ans Ende seiner langen, schrecklichen Krankheit begleitet hatte, waren Stärke, Mut und ein eiserner Wille zur Selbstbehauptung in ihr gewachsen. Diese unschätzbaren Fähigkeiten wollte sie sich von nichts und niemandem wieder nehmen lassen.
Insofern schien es ihr absolut richtig, die übertrieben, ja fast beleidigend großzügige Spende ihres unbekannten Gönners abgelehnt zu haben, auch wenn sie es ruhig etwas freundlicher hätte tun können. Immerhin war es eine gut gemeinte Geste gewesen. Der Mann wusste schließlich nichts von ihrer Vorgeschichte. Doch bevor Marianne dazu kam, sich zu entschuldigen, war er bereits weitergegangen, schwer auf seinen Stock gestützt und das rechte Bein hinter sich herziehend.
Betroffen hatte sie sich gefragt, ob er einen Unfall gehabt hatte oder an einer schweren Krankheit litt. Irgendwie kam es ihr nicht richtig vor, dass ein so schöner, wohlgestalteter und noch relativ junger Mann mit einer solchen Behinderung leben musste. Allerdings tat sie seiner imponierenden Erscheinung und seinem fesselnden Gesicht keinerlei Abbruch. Im Gegenteil – auf eine unergründliche Weise schien sie seine Vorzüge noch zu verstärken.
Wie hypnotisiert hatte Marianne ihm nachgeblickt und dabei alles andere vergessen, bis die beißende Kälte ihr mit scharfen Messern ins Gesicht schnitt und sie wieder in die Gegenwart zurückholte.
„Sie haben es wieder einmal übertrieben, habe ich recht?“
Eduardo warf seinem Arzt einen grimmigen Blick zu. Er hätte gern auf Evan Powells vierzehntägige Besuche verzichtet. Aber nach seinem schweren Unfall war regelmäßige ärztliche Betreuung unerlässlich. Und sein Arzt in Rio de Janeiro hatte ihm Dr. Powell, der in London als die Koryphäe auf dem Gebiet der Orthopädie galt, ausdrücklich empfohlen.
„Mir wurde gesagt, ich könnte mein Bein nach einer gewissen Zeit wieder ganz normal belasten“, erwiderte Eduardo ungehalten. „Warum, zum Teufel, dauert es so lange?“
„Was erwarten Sie, Mr. de Souza? Ihr Oberschenkelknochen ist bei dem Unfall völlig zerschmettert worden und musste neun Mal operiert werden. Von so etwas erholt man sich nicht wie von einer Erkältung.“
Der geduldige Tonfall des Arztes machte Eduardo noch gereizter. „Ach, hören Sie doch auf mit diesen abgedroschenen Phrasen“, fuhr er den älteren Herrn scharf an.
„Nun ja, dann …“ Dr. Powell legte sich sorgfältig seinen Mantel über den Arm und ging zur Tür. „Bemühen Sie sich nicht, Ihren Diener zu rufen, ich finde selbst hinaus. Guten Abend, Mr. de Souza.“
Mit einem unterdrückten Schmerzenslaut hievte Eduardo sich von der Untersuchungsliege hoch. „Bitte verzeihen Sie mir mein schlechtes Benehmen, Dr. Powell“, bat er mit rauer Stimme. „Ich hatte einen ziemlich schlechten Tag, aber das ist natürlich kein Grund, mich so unhöflich zu benehmen. Zumal Sie an einem so grässlichen Tag den weiten Weg hierher auf sich genommen haben.“
Einen Moment ließ Dr. Powell den Blick durch den behaglichen Raum schweifen und trat dann an eins der großen Erkerfenster, die den Blick auf einen breiten Wassergraben und die dahinter liegenden Felder und Wälder freigaben. Eine märchenhafte Landschaft, die jetzt von einer hohen, weißen Schneedecke überzogen war. „Sie leben hier sehr isoliert“, bemerkte er vorsichtig. „Möglicherweise würde ein wenig Gesellschaft Sie auf andere Gedanken bringen.“
Eduardo kniff die Augen zusammen. „Sie meinen eine Frau?“ Zu seiner Überraschung verwarf er zum ersten Mal seit zwei Jahren die Idee nicht sofort. Was ihn jedoch noch mehr überraschte, war die Tatsache, dass dabei unversehens das Bild der hübschen Straßensängerin vor seinem geistigen Auge auftauchte. Große haselnussbraune Augen … ein hübscher weicher Mund … langes honigblondes Haar …
Im nächsten Augenblick erschrak Eduardo vor sich selbst. Wie alt mochte dieses Mädchen sein? Siebzehn vielleicht? Anscheinend hatte ihn mit allem anderen auch sein gesunder Menschenverstand verlassen. Hin und wieder ein anregendes Gespräch mit einem kultivierten Menschen zu führen, war vielleicht wirklich ein guter Gedanke. Aber zu mehr war er nicht bereit. Nicht nach dem, was mit Eliana und seinem ungeborenen Kind geschehen war.
Als Eduardo nicht sofort antwortete,
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