Julia Extra Band 0318
schien er eher für eine Theaterpremiere als für den Besuch einer Kleinstadt gekleidet zu sein.
„Hallo“, begrüßte er Marianne mit seiner volltönenden Stimme, die ihr eine Spur heiserer erschien, als sie sie in Erinnerung hatte. Gleichzeitig erkannte sie, dass sie in den letzten zwei Tagen unbewusst nach ihm Ausschau gehalten hatte – was sie ziemlich aus dem Gleichgewicht brachte.
„Hi“, erwiderte sie so locker wie möglich. „Da haben Sie sich aber nicht gerade das beste Wetter für einen Stadtbummel ausgesucht.“
Eduardo zuckte mit den Schultern. „Zum Glück habe ich den Schauer verpasst. Ich war wieder in der Ausstellung.“
„In derselben wie neulich?“
Er nickte.
„Die muss Sie ja sehr faszinieren. Was gibt es denn dort zu sehen?“
„Die Arbeiten eines französischen Fotografen, den ich sehr bewundere. Es ist eine Retrospektive über sein Leben in Paris nach dem Krieg. Er ist kürzlich gestorben, und ich habe durch einen Artikel in der lokalen Zeitung von der Ausstellung erfahren.“
„Verstehe.“ Marianne nahm ihre Gitarre aus dem Koffer und warf Eduardo dabei ein verlegenes Lächeln zu. „Vielleicht sollte ich einmal hingehen, bevor sie vorbei ist. Es klingt sehr interessant.“
„Sie interessieren sich für Fotografie?“
„Ja, das heißt, eigentlich für jede Form von Kunst oder Kreativität. Ich finde es unglaublich spannend zu sehen, wie Künstler die Welt wahrnehmen und wie sie das, was sie wahrnehmen, interpretieren. Das macht mir immer wieder klar, dass ungefähr so viele Universen existieren, wie es Lebewesen gibt.“
Eine Weile dachte Eduardo schweigend über ihre Worte nach. Dann blickte er auf seine Armbanduhr. „Was halten Sie davon, wenn wir jetzt zusammen einen Kaffee trinken?“
Wieder war Marianne um eine gute Ausrede verlegen. Außerdem war sie bis auf die Knochen durchgefroren, und letztlich war dieser Zeitpunkt so gut oder schlecht wie jeder andere.
Das gemütliche Café mit den rot-weiß karierten Vorhängen und den dazu passenden Tischdecken empfing sie mit wohliger Wärme und dem Duft von frisch gebrühtem Kaffee. Wegen des schlechten Wetters war es ziemlich voll, aber sie ergatterten noch einen freien Tisch.
Die Kellnerin erschien beinahe augenblicklich, um ihre Bestellung aufzunehmen. Insgeheim schrieb Marianne das Eduardos Eleganz und seinem beeindruckenden Auftreten zu, das wie selbstverständlich nach sofortiger Aufmerksamkeit verlangte.
Nachdem er Kaffee und Kuchen bestellt und die junge Bedienung den Tisch verlassen hatte, begann er wieder, Marianne auf diese beunruhigend intensive Weise zu betrachten. Nervös fragte sie sich, was er wohl gerade dachte, und zwang sich zu einem etwas verkrampften Lächeln.
„Verzeihen Sie, wenn meine Frage zu persönlich sein sollte“, brach er schließlich das Schweigen, wobei sein Blick noch eindringlicher wurde. „Aber finden Ihre Eltern es in Ordnung, dass Sie als Straßenmusikerin arbeiten?“
Die offensichtliche Missbilligung in seinem Tonfall brachte Marianne auf die Barrikaden. Dieser Mensch kannte ihre Eltern überhaupt nicht, also stand ihm auch keine Kritik an ihnen zu. „Sie sind nicht in der Nähe, um ihre Meinung dazu abgeben zu können“, antwortete sie kurz angebunden. „Und außerdem finde ich Ihre Frage tatsächlich zu persönlich.“
Falls Eduardo es ihr übel nahm, so unumwunden in seine Schranken verwiesen zu werden, ließ er es sich nicht anmerken. „Darf ich fragen, wie alt Sie sind?“, erkundigte er sich stattdessen. „Siebzehn? Achtzehn?“
Marianne hörte auf, mit der Zuckerdose herumzuspielen. „Zu Ihrer Information, Mr. de Souza“, erwiderte sie kühl. „Ich bin vierundzwanzig Jahre alt und absolut in der Lage, meine eigenen Entscheidungen zu treffen.“
„Selbstverständlich“, lenkte er sofort ein. „Es ist nur so, dass Sie sehr viel jünger aussehen und ich besorgt war, dass Sie sich mit Ihrer Lebensweise allen möglichen Gefahren aussetzen könnten. Gibt es hier denn keinen sichereren Ort, an dem Sie Musik machen können?“
Seine offensichtlich ehrliche Sorge um ihr Wohl ließ ihren Ärger verfliegen. „Ich trete manchmal in einem Folkclub auf“, erklärte sie ihm bereitwillig. „Allerdings findet dort nur zwei Mal im Monat ein Live-Programm statt. Aber die Marktverkäufer in der Straße haben ein Auge auf mich. Sobald mich jemand auch nur schief ansieht, kommt sofort einer von ihnen herüber und regelt die Angelegenheit.“
„Ich bin froh, das zu
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