Julia Extra Band 0319
gehörte. Egoistisch und ohne nachzudenken hätte er sich genommen, was nicht seins war, und wäre am nächsten Morgen gegangen. Weil er keine andere Wahl hatte als zu gehen. Nichts hatte er mehr zu geben, und fühlen konnte er schon lange nicht mehr.
Noch während ihn diese Gedanken überfielen, kehrte die Kälte in seine Seele und sein Herz zurück. Es war ein so vertrautes Gefühl, fast begrüßte er sie. Nur das Wissen darum, wie sehr er Abby verletzen würde, saß wie ein Pfeil in seinem Fleisch.
Es sei denn … Wenn er jetzt ging, während sie schlief, dann würde er sie verletzen, aber lange nicht so sehr. Nicht so tief.
Ein Stöhnen entfuhr ihm ungewollt, er wollte nicht gehen. Wenigstens für ein paar Stunden wollte er sich in ihren Armen verlieren …
Er war ein egoistischer Mistkerl, war es immer gewesen. Er nahm sich, wen und was er wollte, ohne darauf zu achten, welchen Schmerz er anderen Menschen zufügte.
Nein, dieses Mal nicht.
Wie in Zeitlupe, erfüllt von Trauer über den Verlust von etwas, das er nie besessen hatte, schob Luc das ungeöffnete Päckchen Kondome in die Hosentasche und ging zum Bett. Zart küsste er Abby auf die Stirn. Sie stieß einen leisen Seufzer aus, der ihm schier das Herz zerreißen wollte.
So lange hatte er sich mit einer harten Schale umgeben, damit er nichts mehr fühlen musste. Weil er nichts fühlen wollte. Er wollte die nagende Schuld und die Reue nicht mehr spüren, die seine Verfehlungen verursacht hatten.
Er hatte Suzanne im Stich gelassen, hatte Monat um Monat nichts gesehen, nichts gemerkt, nichts verstanden. Und keinen Finger gerührt, um sie zu retten. Das würde er niemandem mehr antun, vor allem nicht jemandem, der so süß und unschuldig war wie Abby. Dazu würde er es nicht kommen lassen.
Sie hatte ihr Leben, ihre Musik … eine große, wunderbare Welt, die nichts mit ihm zu tun hatte.
Es war besser so.
Ein letztes Mal strich er ihr zärtlich über die Wange, dann ging er mit langsamen Schritten und blutendem Herzen zur Tür zurück. Er fühlte. Und er verdrängte diese Gefühle rigoros, erlaubte der Gefühllosigkeit, sich erneut auf seine Schultern zu legen und ihn einzuhüllen wie ein wallender Umhang.
Seinen Mantel über dem Arm, drehte er sich noch ein letztes Mal um und flüsterte ein einzelnes Wort: „Leb wohl.“
Dann schlüpfte er aus dem Zimmer und schloss leise die Tür.
4. KAPITEL
Abby erwachte langsam und reckte sich wohlig.
„ Excusez !“
Mit einem Ruck richtete Abby sich auf und starrte auf das verlegen dreinschauende Zimmermädchen, das am Fußende des Bettes stand. Hastig riss sie das Laken hoch, um ihre nackte Brust zu bedecken. Sie blickte sich um und suchte nach Luc, doch ihr Magen zog sich ungut zusammen, sie ahnte die Wahrheit bereits.
Er war fort.
Genau wie sie die Verbindung zwischen ihnen gestern Abend gefühlt hatte, realisierte sie nun seine Abwesenheit. Doch dieses Gefühl jetzt war viel schlimmer, elektrisierte nicht, sondern höhlte aus. Mitten in der Nacht hatte er sich davongestohlen, wie ein Dieb, noch bevor sie überhaupt …
Abby verdrängte den Gedanken und schluckte das Schluchzen hinunter, das sie schütteln wollte. Sah zurück zu dem Mädchen, das sie mit nur schlecht kaschierter Neugier musterte, und fühlte die Schamesröte über ihr Gesicht kriechen. Von irgendwoher klaubte sie die letzten Reste ihrer Würde zusammen.
„ Vous pouvez retourner dans quelques minutes “, sagte sie, so hochmütig es ihr möglich war.
Das Zimmermädchen nickte und verschwand, und Abby war wieder allein.
Komplett allein.
Sie schluckte den Kloß herunter, der ihr plötzlich in der Kehle saß. Wieso war Luc gegangen? Er hatte gesagt, er wolle nur einen Verhütungsschutz besorgen, und dann hatte er sie hier zurückgelassen. Warum? Weil er es sich anders überlegt hatte? Weil sie ihm die ganze Sache plötzlich nicht mehr wert gewesen war? Kam er noch einmal zurück? Das hier war doch sein Zimmer, oder?
Abby stand auf, wickelte sich in das Laken und ging auf Suche … nach irgendeinem Zeichen, das die Hoffnung nähren würde, er käme noch zurück. Dass er nur eben schnell hinausgegangen war, um Kaffee zu besorgen, die Zeitung, Frühstück …
Wie unsinnig. In einem Hotel wie diesem hier wurde das Frühstück samt Zeitung ans Bett serviert. Luc und sie könnten hier liegen, frischen Kaffee trinken, sich gegenseitig mit warmen Croissants füttern und die Zeitungsseiten austauschen. Und dann würden sie sich lieben,
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