Julia Extra Band 0319
Summers“.
Abby.
Vor sechs Monaten hatte sie auf dem Zenit ihrer Karriere gestanden. Sie hatte alles erreicht, wofür sie gearbeitet hatte. Und jetzt hörte sie auf? Einfach so?
Warum? Die Antwort drängte sich unerbittlich auf. Seinetwegen. Weil er zu viel von ihr genommen hatte und dann wortlos verschwunden war.
Er hatte sich tatsächlich davon überzeugen können, dass es besser so war. Wäre er geblieben, hätte er sie in seine Arme gezogen und mit ihr geschlafen. Er hätte sie nicht losgelassen. Wahrscheinlich für eine lange Zeit nicht losgelassen.
Und dann? Sie hätte Gefühle entwickelt, sich vielleicht sogar eingebildet, sie würde ihn lieben. Irgendwann hätte er sie dann verletzt, enttäuscht, im Stich gelassen. Genau wie Suzanne.
„Luc?“
Sein Blick ruckte zu Denis zurück, der mit dem goldenen Kugelschreiber auf die Unterlagen tippte. Luc hatte keine Ahnung, worüber Denis redete. Irgendetwas über die Weinkellerei. „Ja, natürlich“, antwortete er vage und konnte nicht verhindern, dass seine Gedanken wieder zu jener Nacht wanderten, zu Abby.
Er wusste noch genau, wie sie sich angefühlt hatte. Weich, anschmiegsam, perfekt an seinen Körper angepasst. Auch die Erinnerung an den Duft ihres Haars – leicht nur, kaum wahrnehmbar, nach Lavendel – war immer noch lebendig. Der Duft erinnerte ihn an zu Hause. An die guten Zeiten. Seltsam. Als er Abby in seinen Armen gehalten hatte, da waren die Dämonen verschwunden, ihre hämischen Stimmen verstummt. In Abbys Armen hatte er Frieden empfunden.
„Luc?“, kam es ein weiteres Mal von Denis, und Luc nickte.
„Natürlich, ich höre zu.“
Aber er hörte nicht zu. Mit seinen Gedanken war er meilenweit weg. Er dachte an Abby und wo sie jetzt wohl sein mochte.
Und wie er sie finden könnte.
Abby nahm die hausgemachte Lasagne aus dem großen Kühlschrank und stellte sie in die Proviantkiste auf der Anrichte.
„Geht noch etwas nach Corner Cottage?“, fragte sie Grace Myer, die Eigentümerin von Cornish Country Kitchen Catering und seit vier Monaten Abbys Chefin.
Grace steckte sich eine ergraute Strähne hinters Ohr und überflog die Bestellliste. „Lasagne, Salat, Brot und Streuselkuchen, das war’s. Es ist ja nur für den einen Herrn.“
„Er bleibt die ganze Woche?“
„Ja. Er hat das Cottage wohl erst gestern angemietet, ganz kurzfristig.“ Grace legte die Bestellung auf die Kiste. „Da hast du alles. Und es macht dir nichts aus, heute Nachmittag nach Helston zu fahren?“
„Nein, überhaupt nicht“, antwortete Abby. Grace hatte sie ja für das Tragen und Ausliefern angestellt, weil sie selbst es wegen ihrer Rückenschmerzen nicht mehr schaffte. Und Abby gefiel die Arbeit. Endlich hatte sie das Gefühl, etwas Nützliches zu tun. Außerdem half es, sich beschäftigt zu halten. Dann blieb keine Zeit zum Grübeln.
Abby hievte die Kiste in Graces alten Truck, der draußen vor dem reetgedeckten Cottage parkte, und kletterte auf den Fahrersitz. Es war ein sonniger Septembertag, eine frische Brise wehte vom Meer herüber und spielte in Abbys Haaren, während Abby die Küstenstraße entlang nach Carack fuhr, dem kleinen Fischerdorf, wo Corner Cottage lag.
Nicht zum ersten Mal musste sie daran denken, wie sehr ihr Leben sich in den letzten sechs Monaten verändert hatte. Jener Abend in Paris, an dem ihr Vater ihr gestanden hatte, dass er das ganze Geld – ihr Geld! – verloren hatte, war der Wendepunkt gewesen. Zwei Konzerte hatte sie noch gegeben – und miserabel gespielt –, bevor sie die Tournee abbrach. Weil sie die neugierigen Spekulationen nicht mehr ertragen konnte, kehrte sie der Musikwelt den Rücken und brach alle Brücken hinter sich ab.
Und jetzt war sie hier. Ihre Tage verbrachte sie damit, fertige Mahlzeiten auszuliefern, die Grace zubereitete. Die Monotonie ihrer Arbeit wurde wettgemacht durch die wunderschöne Landschaft, durch die sich die Straßen wanden, durch die direkte Nähe zum Meer, durch die gelegentlichen Fahrten nach Helston oder Penzance, um frische Zutaten einzukaufen, und durch die Freunde, die sie hier gewonnen hatte – die alte Marta, die den Lebensmittelladen in Carack seit dreißig Jahren führte, der Postbote und natürlich Grace. Es waren die kleinen Freuden des Alltags, die sie zu schätzen gelernt hatte.
Nach Cornwall zu kommen war eine instinktive Entscheidung gewesen. Als Kind war sie einmal hier in den Ferien gewesen, der einzige wirkliche Familienurlaub. Eine wunderbare Woche mit
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