Julia Extra Band 0319
sechs Monaten zu denken. Hatte versucht, sie zu vergessen, und sich in die Arbeit gestürzt. Abby konnte einfach keine Verwendung für ihn in ihrem Leben haben.
Dennoch war es ihm nicht gelungen, sie aus seinen Gedanken zu verbannen.
Und jetzt spürte er die Schuldgefühle, die von ihm Besitz ergriffen. Hatte sie sich seinetwegen von der Bühne zurückgezogen? Hatte er noch eine Unschuldige mit seiner Gier, seinem Egoismus verletzt? Obwohl das nie seine Absicht gewesen war …
„ Salut , Luc.“
Luc schaute von der Zeitung auf und sah seinen Notar, Denis Depaul, am Tisch stehen. Er faltete die Zeitung zusammen und warf sie auf den leeren Stuhl neben sich, wünschte, er könnte seine Erinnerungen und Sorgen ebenso leicht ablegen. „ Salut .“
Denis setzte sich und bestellte einen Kaffee, bevor er sich Luc zuwandte. „Schön, dich wieder mal zu sehen. Du kommst nicht mehr oft in den Süden.“
„Ja, das stimmt.“ Luc zwang sich, entspannt zu wirken. Denis war ein alter Freund der Familie, er hatte schon Lucs Vater vertreten. Nach dessen Tod – Luc war damals erst elf Jahre alt gewesen – hatte er die Angelegenheiten der Familie betreut, bis Luc alt genug gewesen war, die Führung von Toussaint Holding zu übernehmen.
„Ich habe Neuigkeiten.“
„So?“ Luc nippte an seinem Espresso.
„Ja.“ Denis hielt inne. „Für Château Mirabeau ist ein Angebot abgegeben worden.“Luc verharrte, die Finger um die kleine Tasse gelegt, bemühte sich, seinen Ton neutral zu halten. „Ein Angebot? Mir war nicht klar, dass es zum Verkauf steht.“
„Das nicht. Aber da es seit sechs Monaten nicht mehr bewohnt wird, beginnen die Leute, sich Gedanken zu machen.“
„Sollen sie ruhig“, erwiderte Luc gleichgültig, doch Denis ließ sich von diesen Worten nicht täuschen.
„Es ist ein interessantes Angebot, Luc. Sicher, du brauchst das Geld nicht, aber angesichts …“
„Angesichts was?“, hakte Luc nach.
Denis neigte den Kopf leicht zur Seite und musterte Luc abwägend. „Angesichts der Tatsache, dass du nicht mehr dort wohnst“, sagte er dann nüchtern, „und auch nicht die Absicht geäußert hast, in Zukunft wieder dort zu wohnen.“ Seine Miene zeigte plötzlich Mitleid, Mitleid, das Luc nicht ertragen konnte.
Nicht nur, dass er kein Mitleid wollte, er hatte es auch nicht verdient. Es wäre einfacher für ihn, wenn Denis ihn verurteilte und ihn für Suzannes Tod verantwortlich machte. Doch niemand schien das zu tun, nur er selbst. Wäre ich nur aufmerksamer gewesen. Hätte ich sie nur mehr geliebt. Hätte ich nur bemerkt, wie unglücklich ich sie mache.
Vielleicht würde sie dann noch leben.
„Luc, das Angebot ist wirklich gut. Und das Schloss, mit all seinen Erinnerungen …“
Denis brauchte den Satz nicht zu beenden. Was Erinnerungen betraf, wusste Luc genau Bescheid: Château Mirabeau mit seinen Steinhängen und Weinbergen, mit den Springbrunnen und Aquädukten, mit seinen Geheimnissen und Sorgen und Narben. Château Mirabeau, wo Suzanne so unglücklich gewesen und unerwartet gestorben war.
„Ich kann es nicht verkaufen“, sagte Luc entschieden. „Seit vierhundert Jahren gehört es unserer Familie. Mein Vater …“ Er brach ab, schüttelte stumm den Kopf.
„Ich weiß, dein Vater hätte sich das niemals gewünscht“, sagte Denis verständnisvoll. „Aber er wusste auch nichts von solchen Umständen. Für dich ist es besser, wenn du das Schloss verkaufst, und damit beziehe ich mich nicht auf dein Bankkonto. Du musst endlich …“
„Du musst mir nur sagen, was ich im Hinblick auf meine Bankkonten zu tun habe, mehr nicht“, unterbrach Luc den alten Freund kühl. Er wusste, er klang barsch, aber er brauchte weder Rat noch Mitgefühl. Mürrisch wandte er das Gesicht ab und zuckte zusammen, als Denis seinen Arm berührte.
„Fünfunddreißig Millionen Pfund könnten vielleicht deine Meinung ändern.“
„Fünfunddreißig Millionen?“ Luc hob eine Augenbraue. Er hatte sich wieder gefasst, zumindest sah es nach außen hin so aus. „Mehr nicht?“
Denis schmunzelte. „Wie gesagt, du benötigst das Geld nicht unbedingt, aber … fünfunddreißig Millionen sind fünfunddreißig Millionen.“
„Nein.“
„Wie du meinst.“ Denis öffnete seinen Aktenkoffer, entnahm ihm einen Stapel Unterlagen und begann einen Bericht zu lesen über die anderen Besitztümer Lucs im Languedoc.
Lucs Blick glitt zu der Zeitung mit dem grobkörnigen Foto der „Ausnahmepianistin Abigail
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