Julia Extra Band 0319
Sandburgenbauen und schmelzender, tropfender Eiscreme in der kleinen Kinderhand. Es war ein gutes Gefühl, wieder hier zu sein.
Sie hatte Graces Stellenanzeige für eine Assistentin in der kleinen Lokalzeitung gelesen und sich beworben. Ihre Eltern waren verstört, die Öffentlichkeit fassungslos, doch Abby war froh.
Abgesehen von jener Nacht mit Luc, fühlte sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben frei und glücklich.
Und wie immer, wenn sie an Luc dachte, spürte sie den Stich in ihrem Herzen. Warum war er damals gegangen? Hatte er es von Anfang an so geplant? Oder hatte er einfach nur das Interesse verloren? War es überhaupt noch wichtig?
Wenn sie Schmerz und Ärger einmal vergaß, dann müsste sie ihm sogar dankbar sein. Die Begegnung mit ihm hatte ihr die Augen geöffnet, hatte ihr gezeigt, wie eingeengt ihr Leben bis dahin gewesen war, auch wenn das sicherlich nicht seine Absicht gewesen war. Es hatte sie wachgerüttelt und sie zu diesem Schritt bewegt.
Corner Cottage war das letzte Häuschen in der Reihe der weiß getünchten Häuser auf der Hauptstraße von Carack, alle mit Blick auf das Meer. Abby roch das Salz in der Luft, als sie die Kiste aus dem Wagen hob, durch den kleinen Garten ging und durch die Hintertür in die Küche eintrat.
Sie liebte Corner Cottage. Es war klein und gemütlich, nur mit einer winzigen Küche im Parterre und dem Wohnraum, der von einem offenen Kamin beherrscht wurde. Oben unter dem Dach lag das Schlafzimmer, mit direktem Blick auf die schiefergraue See. Ein ideales Nest für ein Paar, Abby konnte sich bestens vorstellen, wie man sich zusammen unter das dicke Federbett kuschelte und stundenlang aufs Meer hinausschaute.
Zu Abbys Aufgaben gehörte es auch, zu überprüfen, ob in dem Cottage alles ordnungsgemäß sauber und bereit für den nächsten Mieter war, und so verstaute sie erst das Essen und ging dann von Raum zu Raum. Beim Anblick des großen Betts fühlte sie wieder den schmerzhaften Stich, und einen Moment erlaubte sie sich die Fantasie, sie würde zusammen mit Luc in diesem Bett liegen. Sie hatte ja niemanden sonst, den sie für ein solches Bild benutzen könnte. Luc war die Summe all ihrer romantischen und sexuellen Erfahrungen. Jene Momente mit ihm gehörten zu den wertvollsten und intensivsten Erinnerungen, die sie besaß. Oder verrannte sie sich hier nur in eine romantische Wunschvorstellung?
Natürlich tat sie das. Die Tatsache, dass er ohne ein Wort gegangen war, bevor sie überhaupt zusammen geschlafen hatten, war der Beweis dafür.
Abby schüttelte den Kopf. Sie musste aufhören, ständig an Luc zu denken, das machte sie nur verletzlich. Eigentlich sollte sie ausgehen und das Leben genießen, flirten und lachen und tanzen.
Sie ging wieder nach unten. Auf halber Treppe hörte sie, wie der Schlüssel in der Haustür gedreht wurde. Als Ankunftszeit hatte der neue Mieter drei Uhr nachmittags genannt, jetzt war es erst Mittag. Abby zuckte mit der Schulter. Nun, dann würde sie ihn eben noch begrüßen und sicherstellen, dass wirklich alles zu seiner Zufriedenheit war, bevor sie abfuhr.
Ein freundliches Lächeln auf den Lippen und die Worte „Willkommen in Corner Cottage“ auf der Zunge, stand Abby in der Mitte des Salons, um den neuen Gast in Empfang zu nehmen.
Die Tür ging auf, ihr Lächeln erstarb, die Worte blieben ihr im Hals stecken.
Abby stand Luc gegenüber und starrte ihn an.
6. KAPITEL
Sie hat sich überhaupt nicht verändert, dachte Luc, während er stocksteif, den Schlüssel in der Hand, stehen blieb und ihren Anblick in sich aufsog wie ein Verdurstender.
Auch sie rührte sich nicht, stand da mit offenem Mund und vor Ungläubigkeit weit aufgerissenen Augen. Sie sah immer noch aus wie früher, aber doch anders. Das schwarze seidige Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und statt eines Abendkleides trug sie Jeans und T-Shirt unter dem roten Parka. Sie sah frisch und natürlich aus wie ein Mädchen vom Lande, und doch haftete ihr die Aura jahrelanger Weltgewandtheit an.
Sein Schuldgefühl schnitt durch ihn hindurch, scharf wie ein Messer. Dafür war er verantwortlich, er hatte sie reduziert auf Handlangerdienste für einen zweitklassigen Catering Service.
Luc schob den Schlüssel in die Hosentasche und trat über die Schwelle. „Hallo, Abby.“
Sie schüttelte den Kopf. Es war eine Geste sowohl des Erstaunens wie auch der Verleugnung. „Was tust du hier?“
„Ich …“ Er überlegte, wie viel er sagen sollte. „Ich
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