Julia Extra Band 0319
der Treppe, genau, wie Luc befürchtet hatte.
Nach einer schlaflosen Nacht verzichtete Abby auf das Frühstück, um pünktlich bei Grace zu erscheinen und mit ihrer Runde zu beginnen. Eben noch eilte sie die Stufen hinunter, Autoschlüssel in der Hand, Parka über dem Arm … und dann wurde plötzlich alles um sie herum schwarz.
Als sie langsam aus der Dunkelheit auftauchte und wieder zu Bewusstsein kam, nahm sie als Erstes den hellen Sonnenschein wahr. Sie blinzelte und konzentrierte sich auf ihre Umgebung. Sie lag in einem Krankenhausbett, und Luc saß auf einem Stuhl neben ihr.
Noch mehrmals musste sie blinzeln, bevor sie ihn klar erkennen konnte. Er saß vorgebeugt, die Unterarme auf die Schenkel gestützt, seine Züge grimmig. Anspannung strahlte aus jeder seiner Poren.
„Oh, komm schon.“ Wie brüchig ihre Stimme klang! Abby versuchte sich an einem Lächeln. „So schlimm kann ich nicht aussehen.“
Lucs Kopf schnellte hoch. Für eine Sekunde strahlte er. Abby hätte jubeln mögen, weil sie in dieser Sekunde das Gefühl hatte, alles wäre möglich. Dann verdüsterten sich seine Züge wieder. Er legte die Hand an ihre Stirn, um ihre Temperatur zu fühlen.
„Du warst über eine Stunde bewusstlos.“
„Tatsächlich?“ Es verdutzte sie mehr, als dass es sie beunruhigte. So lange sollte sie ohne Bewusstsein gewesen sein?
„Ja, tatsächlich.“ Lucs Miene drückte fassungslosen Ärger aus. „Ich habe dich am Fuße der Treppe gefunden. Du kannst von Glück sagen, dass du dir nichts gebrochen hast.“
„Und dass die Haustür offen war“, fügte sie murmelnd hinzu.
„Da du das gerade erwähnst … War die Tür etwa die ganze Nacht nicht abgeschlossen? Jeder hätte …“
„Luc, in diesem Dorf leben gerade mal siebzig Leute.“ Sie legte die Hand auf ihren Bauch, als ihr ein schrecklicher Gedanke in den Kopf schoss. „Das Baby …!“
„Die Ärztin hat sofort die Herztöne abgehört, nachdem ich dich herbrachte. Alles scheint in Ordnung zu sein“, beruhigte sie Luc. „Allerdings möchte sie noch eine Ultraschalluntersuchung machen.“
Die Erleichterung ließ Abby schwach werden. Selbst jetzt noch, obwohl die Gefahr vorüber war, klopfte ihr Herz wild aus Angst um ihr Kind.
Wenig später trat auch schon die Ärztin ein, eine auf den ersten Blick sympathische Frau Mitte dreißig.
„Sie haben uns einen ganz schönen Schreck eingejagt“, sagte sie zu Abby, setzte sich auf das Bett und verteilte großzügig Gel auf Abbys Bauch. „Die Bluttests, die wir gemacht haben, zeigen, dass Sie etwas anämisch sind. Nehmen Sie regelmäßig Ihre Vitamine ein?“
„Ja, jeden Tag.“ Abby warf absichtlich keinen Blick zu Luc. Sie wusste auch so, dass er glaubte, sie würde nicht gut genug auf sich achtgeben.
„Dann werden wir wohl noch ein Eisenpräparat hinzufügen müssen“, meinte die Ärztin. „Aber jetzt sehen wir uns erst Ihr Baby an.“ Die Ärztin nahm den Sonarstab und fuhr damit über Abbys Leib. Abby schnappte leise nach Luft, als sie winzige Arme und Beine erkannte und das kleine Herz, das rasend schnell klopfte.
„Nun, das Baby ist völlig in Ordnung, genau so, wie es sein soll“, sagte die Ärztin lächelnd. Dann ließ sie den Pfeil über die Körperteile und Organe wandern und erklärte alles. Abby hörte aufgeregt zu. „Wie im Lehrbuch. Ganz normal entwickelt.“
„Wie schön.“ Abby sah zu Luc, der fasziniert auf den Bildschirm starrte. „Wenn das Baby so bewegungsfreudig ist, wieso merke ich dann nichts davon?“, fragte sie die Ärztin.
„Keine Sorge, das werden Sie bald. Eine Sache gilt es aber zu beachten.“ Die Ärztin tippte mit einem Stift auf eine Stelle auf dem Monitor, und Abby hielt besorgt den Atem an. Das „Aber“ klang in ihren Ohren gar nicht gut. „Sie haben eine Plazenta praevia partialis, das heißt, eine teilweise Fehllage des Mutterkuchens. Das kommt häufiger vor. Der Mutterkuchen liegt über dem Muttermund, das könnte die Geburt erschweren. Wir werden das also beobachten. Mit ein bisschen Glück wächst sich das in den restlichen Schwangerschaftsmonaten aus.“ Sie lächelte Abby, die bleich vor Sorge geworden war, zuversichtlich an. „Allerdings werden Sie mitarbeiten müssen. Sie dürfen sich nicht mehr überanstrengen, Treppen rauf und runter rennen gibt es nicht mehr. Sie dürfen auch nichts Schweres heben, und leider …“, jetzt lächelte sie Luc zu, „… kein Sex. Wir machen einen Termin in vier Wochen aus und schauen nach, ob diese
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