Julia Extra Band 0319
hatte dieses Problem offensichtlich nicht.
„Dass ich aus dem Leben meines Kindes ausgegrenzt werde, kommt überhaupt nicht infrage.“
Und wie genau stellte er sich das in der Praxis vor? Wie sollte er am Leben des Babys teilhaben, an ihrem Leben? Ihr Herz würde mit jedem Tag schwerer werden, ihre Hoffnungen mit jedem Tag weiter absterben. „Nun, sicher, das verstehe ich.“ Sie stocherte in ihrem Essen herum, ihr Appetit war verschwunden. „Wochenendbesuche lassen sich sicher irgendwie arrangieren …“ Sie brach ab, als Luc vehement den Kopf schüttelte.
„Ich lasse mich nicht mit einem gelegentlichen Wochenende abspeisen, Abby.“
Wut flammte in ihr auf. „Wenn du mir nichts bieten kannst, Luc, was willst du dann meinem Kind bieten?“
„Unserem Kind“, korrigierte er sofort.
Das klärte wohl alles. Sie schloss die Augen, die Erschöpfung wollte sie wieder einholen. „Über die Zeit nach der Geburt habe ich noch nicht wirklich nachgedacht. Wegen der morgendlichen Übelkeit habe ich eigentlich jeden Tag genommen, wie er kam.“ Sie atmete aus, hob die Lider. „Das wird sich vermutlich ändern müssen.“
„Richtig.“
Sie blickte ihm geradewegs in die Augen. „Aber noch weiß ich nicht, wie. Und ich habe auch nicht vor, heute Abend solche Entscheidungen zu treffen.“
Luc zuckte mit der Schulter. „Sicher, wie du wünschst. Ich kann eine Woche bleiben, bevor ich nach Frankreich zurückkehren muss. Wir haben also ein wenig Zeit.“
Ein wenig, dachte Abby. Also nicht viel.
Schweigend beendeten sie ihre Mahlzeit. Abby musste an ihr erstes gemeinsames Dinner denken. Wie die Stunden damals im Flug vergangen waren, mit Lachen und Reden!
„Was ist?“
Abbys Blick flog zu Lucs Gesicht. Sie musste sehnsüchtig geseufzt haben, ohne es zu merken. „Ich bin müde. Ich sollte nach Hause und zu Bett gehen.“
Luc nickte. Er zahlte die Rechnung und geleitete Abby aus dem Pub, den Arm um ihre Schultern gelegt. Sobald sie auf der Straße standen, ließ er den Arm sinken. Vom Meer wehte der Wind herüber, im März noch kühl, und Abby erschauerte. Sie spürte den Verlust von Lucs Berührung und noch von etwas anderem, viel Tieferem.
Was war aus den beiden Menschen geworden, die an jenem Abend, in jener Nacht die Gesellschaft des anderen so genossen hatten? Wo waren sie geblieben?
Sie hatte sich auf jeden Fall verändert, war erwachsen geworden und hatte ihr Leben in die eigene Hand genommen, bestimmte selbst. Ein Lächeln zog auf ihre Lippen, zynisch, wie Luc es ihr vorgeworfen hatte. Was dachte sie da? Sie bestimmte überhaupt nichts. Luc hatte doch klargemacht, dass er am Leben des Kindes teilhaben würde, dass er nicht wollte, dass sie weiter für Grace arbeitete, dass sie nicht allein leben sollte. Im Grunde also war er derjenige, der ihr weiteres Schicksal bestimmte.
Sie war nicht sicher, ob sie die Kraft hatte, gegen ihn anzukämpfen. Oder überhaupt gegen ihn ankämpfen wollte.
Vor der Tür ihres Cottages blieben sie stehen. Abby spielte mit dem Schlüssel.
„Ich warte noch, bis du sicher im Haus bist, dann sollte ich gehen“, sagte Luc.
„Natürlich.“ Hatte er etwa erwartet, sie würde ihn hereinbitten? Ihre Wangen brannten. Dennoch ließ sich die aufkeimende Sehnsucht nicht unterdrücken.
„Wir reden morgen.“
„Fein.“ Sie schob den Schlüssel ins Schloss, aber es gelang ihr nicht, ihn herumzudrehen.
„Lass mich.“ Luc verfolgte ihre wachsende Frustration und legte seine Hand auf ihre.
„Ich schaffe das schon!“, protestierte sie und sah hilflos zu, wie er die Tür ohne weitere Probleme aufschloss.
Abby wandte sich um und sah ihn an, sein Gesicht war ihr viel zu nah. Verlangen flammte in ihr auf, heiß und unerwünscht. „Ich weiß nicht, ob ich es schaffe“, wisperte sie.
„Deshalb bin ich hier. Um zu helfen.“ Behutsam streichelte er ihr über die Wange. Sie legte die Finger um sein Handgelenk, in der Absicht, seine Hand fortzuschieben, stattdessen hielt sie sie fest und schmiegte ihre kalte Wange in seine warme Hand.
„Ich rede nicht von der praktischen Seite, Luc. Ich meine uns. Oder besser, die Tatsache, dass es kein ‚uns‘ gibt. Es hat nie wirklich existiert. Zwei Nächte, mehr nicht.“ Sie schluckte. „Es ist zu schwer.“
Lange schwieg er, die Hand noch immer an ihrer Wange. „Ich werde versuchen, es so einfach wie möglich für dich zu machen, Abby.“ Er lächelte traurig. „Ich fürchte, mehr kann ich nicht tun.“
9. KAPITEL
Es geschah auf
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