Julia Extra Band 0319
Anweisungen dann immer noch nötig sind. Aber jetzt …“ Sie klatschte in die Hände, ihre Augen begannen zu funkeln. „Wollen Sie wissen, was es wird? Es war nämlich deutlich zu sehen.“
Abby schaute zu Luc. „Willst du es wissen?“
Er zögerte nur kurz, bevor er ein herzhaftes: „Ja!“, ausstieß.
„Ein Mädchen“, verkündete die Ärztin. „Es ist ein wunderschönes Mädchen.“
Eine Tochter. Luc konnte es kaum begreifen. Er begleitete Abby zum Krankenhaus hinaus. Er würde Vater einer Tochter werden.
Es war der schlimmste Moment seines Lebens gewesen – der zweitschlimmste –, als er Abby vor der Treppe auf dem Boden fand. Sie hatte so bleich und leblos ausgesehen, so wunderschön und zerbrechlich wie eine Porzellanpuppe. Einen schrecklichen Augenblick lang hatte er gedacht, sie wäre tot, und es hatte sich angefühlt, als würde die Welt untergehen. Als wäre er untergegangen.
Dann hörte er sie stöhnen, und die Starre war von ihm abgefallen. Er hatte alle Ängste und Erinnerungen beiseite gedrängt und sich nur noch darauf konzentriert, sie in Sicherheit zu bringen, sie und das gemeinsame Kind zu beschützen, mit allem, was in seiner Macht stand.
Er hatte sie auf seine Arme gehoben, und ihr Kopf war schlaff zurückgefallen, hatte die lange schlanke Linie ihres Halses offenbart, und Luc hatte einen Ausruf der Verzweiflung ausgestoßen. Die Gefühle waren zurückgekehrt – die Verzweiflung, die Reue, die Schuld. Er hätte darauf bestehen sollen, dass sie mit ihm kam. Er hätte bei ihr bleiben sollen. Er hätte …
So viele „hätte“.
Es tat weh, so viel zu empfinden, die Angst war unerträglich. Die Stunde in dem Krankenzimmer zu sitzen, zusehen zu müssen, wie flach Abby atmete, war die reine Folter gewesen.
Und dann, als sie die Augen geöffnet hatte, da war es ihm vorgekommen, als wäre ihm das Leben zurückgegeben worden. Die überwältigende Hoffnung war ebenso schmerzhaft gewesen wie die Angst. Er wusste doch, dass es nicht dauern konnte. Also hatte er die Hoffnung erstickt, unter dem Mantel der kalten Gefühllosigkeit, der zu seiner Rüstung geworden war.
„Wir halten bei der Apotheke an und holen das Eisenpräparat ab“, sagte er zu Abby, als er ihr in den Wagen half.
„Ich muss bei Grace vorbei“, murmelte Abby. Sie sah immer noch blass und angespannt aus. Luc fragte sich, woran sie wohl denken mochte.
„Du wirst kündigen müssen.“
„Werde ich wohl.“ Sie war so müde. Die wunderbare Aufregung, ihr Baby auf dem Monitor zu sehen, hatte der rauen Wirklichkeit Platz gemacht. Es war ihr nicht möglich, für sich selbst zu sorgen. Sie brauchte Luc. Aber das wollte sie nicht. Sie wollte keine Last für ihn sein. Doch im Moment hatte sie gar nicht die Kraft, um sich zu überlegen, was das alles bedeutete.
Sie erreichten das Cottage. Luc half Abby auszusteigen, widerstandslos ließ sie sich von ihm die Treppe hochführen und zu Bett bringen. Sie hatte ja keine große Wahl, und so fügte sie sich gehorsam wie ein Kind.
Abby musste geschlafen haben, denn als sie die Augen wieder aufschlug, ging die Sonne bereits unter. Es war dämmrig im Raum.
„Luc?“, rief sie als Erstes nach ihm.
„Ich bin hier.“ Er schaltete die Stehlampe ein, und Abby konnte nicht anders, sie lächelte ihn an, glücklich, ihn zu sehen. Er war geblieben. „Ich habe eine Suppe für dich vorbereitet, wenn du etwas essen möchtest. Ich glaube, der Sturz war doch schlimmer als angenommen, auch wenn die Ärzte eine Gehirnerschütterung ausgeschlossen haben.“
„Vielleicht“, stimmte sie zu. „Auf jeden Fall habe ich Hunger.“
„Das ist ein gutes Zeichen. Warte einen Moment.“ Er verließ das Zimmer und kam nach ein paar Minuten mit einem Tablett zurück. Eine Schüssel Suppe dampfte darauf, frisches Brot lag dabei, und daneben stand eine Tasse Tee – süß und mit Milch, genau so, wie Abby ihn mochte.
Ein Kloß saß ihr in der Kehle. Sie ertrug es nicht, dass er so fürsorglich zu ihr war, nur wegen des Babys. Er sollte es um ihretwillen tun. Sie wollte von ihm geliebt werden.
Abby schob diese Gedanken beiseite und zwang sich zu einem Lächeln. „Danke. Das sieht gut aus.“
„Mit den besten Grüßen vom Pub“, gestand Luc. „Leider gehört Kochen nicht zu meinen Stärken.“
„Zu meinen auch nicht.“
„Richtig, ich erinnere mich. Kochen kommt gleich nach Drachen steigen lassen auf deiner Liste von Dingen, die du lernen willst.“
„Und noch immer nicht gelernt habe.“
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