Julia Extra Band 0319
dritte Chance gewährt? War sie wirklich so naiv? „Danke“, sagte sie endlich und ließ das Handy in ihre Tasche gleiten.
Sie aßen schweigend, und gleich nach dem Mahl verschwand Luc wieder in seinem Arbeitszimmer. Abby goss sich einen Kaffee ein und ging damit auf die Terrasse hinter der Küche. Die Luft war kühl, der Wind raschelte mit den Blättern der Olivenbäume, am dunklen Himmel funkelten die Sterne. Abby atmete tief ein. Die Hügel und Felder erstreckten sich endlos, nicht weit entfernt erkannte sie die Türme von Schloss Mirabeau, düster im silbernen Mondlicht. Vielleicht sollte sie morgen die Gegend erkunden. Zum Schloss hinüberwandern und sehen, ob dort überhaupt jemand wohnte. Etwas anderes gab es ja nicht zu tun.
Abby nippte an dem inzwischen lauwarmen Kaffee. Ein scharfer Stich der Sehnsucht durchfuhr sie. Sie wünschte, jetzt einfach in Lucs Arbeitszimmer gehen zu können, den Kopf zur Tür hereinzustecken und ihn von der Arbeit wegzulotsen, hierher nach draußen, damit sie gemeinsam die Sterne zählen konnten. Oder sie könnten auch nach oben gehen und das große Doppelbett für seinen eigentlichen Zweck nutzen …
Abby riss sich aus ihren Träumereien. Luc sandte klare Signale aus, dass er sich nicht mit ihr einlassen wollte. Warum konnte sie das nicht endlich akzeptieren? Sie wusste nichts über ihn und seine Vergangenheit, auch nichts über seine Geheimnisse. Aber sie wollte etwas darüber erfahren, wollte verstehen.
Und ja, gestand sie sich ein, dieser winzige Hoffnungsfunke in ihr weigerte sich strikt, zu erlöschen. Sie wollte mehr, nur wusste sie nicht, ob sie es je bekommen würde.
11. KAPITEL
Kurz nach dem Frühstück verließ Luc das Haus, um, wie er Abby sagte, in verschiedenen Büros in der Gegend nach dem Rechten zu sehen. Er könne aber innerhalb weniger Minuten wieder zurück sein.
„Bei einem Notfall?“, fragte Abby, und er zuckte nur wortlos mit einer Schulter, so als wolle er sagen: „Natürlich.“
Abby räumte die Küche auf, dann zog sie sich feste Wanderschuhe an und machte sich auf den Weg nach Château Mirabeau. Es war der perfekte Tag für einen Spaziergang. Die Sonne schien, der Wind spielte mit ihren Haaren. Auf der Straße begegnete sie nur einem einzigen Auto, der Fahrer hupte und winkte ihr freundlich zu. Abby grüßte zurück.
Ihre Stimmung hob sich langsam, nun, da sie die drückende Atmosphäre in dem alten Bauernhaus hinter sich gelassen hatte.
Es dauerte nur eine Viertelstunde, bis sie die schmiedeeisernen Tore von Schloss Mirabeau erreichte. Allerdings war das Tor mit einer Kette verschlossen und die Mauern sehr hoch. Es war also unmöglich, hineinzugelangen.
Sie wollte ja auch nicht herumschnüffeln, aber die Neugier brannte in ihr, auch wenn sie es sich nicht wirklich erklären konnte. Frustriert rüttelte sie an den Toren. Das Vorhängeschloss schlug klappernd gegen die Eisenstäbe und fiel plötzlich herunter. Es war durchgerostet, wie Abby sehen konnte. Mit protestierend quietschenden Angeln schwangen die Tore auf, und Abby trat ein.
Der Kiesweg war mit Unkraut übersät, die Äste der Bäume und Büsche hingen in den Weg hinein. Fast auf Zehenspitzen schlich Abby die Auffahrt entlang, aus Furcht, jemanden zu stören. Doch es wurde immer klarer, dass das Schloss unbewohnt war. Niemand kümmerte sich um das Anwesen, das stand fest.
Der Weg wand sich eine Weile unter Bäumen hindurch, um dann plötzlich den Blick auf ein erstaunliches Gebäude freizugeben – einen wahren Palast. Zu beiden Seiten reckten sich hohe Türme in den Himmel, und eine Unzahl von Fenstern, mit Läden verschlossen, reihte sich Stockwerk um Stockwerk aneinander.
Abby ging zur Vordertür und legte die Hand um den Messingknauf. Sie war sicher, dass die Tür verschlossen sein würde, dennoch versuchte sie, den Knauf zu drehen. Nichts. Sie wanderte um das Schloss herum, entlang an verwilderten Blumenbeeten und Terrassen, an mehreren Springbrunnen und einem verfallenden Aquädukt, suchte nach einer anderen Tür oder vielleicht einem zerbrochenen Fenster.
Warum eigentlich wollte sie in dieses Schloss einbrechen? Was sollte sie hier schon finden? Enttäuscht, müde und verschwitzt trat sie den Rückweg zum Bauernhaus an.
Den Nachmittag verschlief sie und erwachte erst, als sie die Haustür und Schritte hörte. Luc war zurückgekehrt.
„Tut mir leid, dass ich das Abendessen nicht vorbereitet habe“, entschuldigte sie sich als Erstes, als sie nach unten in die Küche
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