Julia Extra Band 0319
Das ist doch das Schloss direkt neben dem Bauernhaus!“
„Stimmt.“ Luc wirkte eher gelangweilt. Und dann fiel Abby auf, wie der Weinhändler eine geradezu ehrfürchtige Verbeugung vor Luc machte. Natürlich, der Mann erkannte ihn. Wenn Luc zum hier ansässigen Adel gehörte, dann musste jeder ihn kennen. Und sicherlich auch seine Frau. Anfangs war Abby so begeistert von dem Städtchen und dem Markt gewesen, dass ihr die neugierigen Blicke gar nicht aufgefallen waren, jetzt jedoch wurde ihr das Getuschel unangenehm bewusst. Sie legte die Flasche Rotwein in die Kiste zurück.
„Können wir zurückgehen? Ich bin ein wenig erschöpft.“ Sie wusste, das würde Luc überzeugen.
Und richtig, sofort führte er sie zum Wagen zurück. Erleichtert lehnte sie sich in den Sitz. Sie, die es jahrelang gewohnt war, im Rampenlicht zu stehen, hatte die neugierigen Blicke nicht mehr ausgehalten. Kein Wunder, da sie nichts über die näheren Hintergründe der Familie Toussaint wusste, konnte sie auch kein Verständnis für die in der Vergangenheit liegenden Ereignisse aufbringen. Sie sah zu Luc. Er blickte starr auf die Straße vor sich, die Finger fest um das Lenkrad geklammert.
„Die Leute kennen dich alle, obwohl du sagtest, dass du nicht hier lebst.“ Abby zwang sich, fortzufahren, trotz seiner steinernen Miene. „Hast du früher hier gelebt? Mit … Suzanne?“
„Ja.“
„Wie ist sie gestorben?“
„Ein Autounfall.“ Mit dem Kopf deutete er auf den Fluss. „Hier in der Nähe, auf eine völlig geraden Straße.“ Seine Stimme klang eiskalt, wahrscheinlich, um seine Trauer zu verbergen. Abby sagte nichts mehr. Er warf ihr einen Seitenblick zu. „Warum stellst du diese Fragen, Abby?“
„Weil ich es wissen möchte. Ich muss es wissen, Luc. Es gibt so vieles von dir, was ich nicht weiß.“
Luc lenkte den Blick wieder auf die Straße vor sich. „Vielleicht ist es besser so.“
Am Nachmittag, während Luc in seinem Arbeitszimmer war, übernahm Abby die Küche. Auf der Anrichte lag sorgfältig sortiert die Ausbeute des Marktbesuches und mittendrin ein aufgeschlagenes Kochbuch. Abby hatte fest vor, das Abendessen alleine zu kochen.
„Radieschen mit gesalzener Leber“, las sie laut vor. „Schnecken an Brennnesselsalat.“ Sie verzog das Gesicht. „Und das soll die berühmte französische Küche sein?“ Sie schlug die Seiten um und entschied sich schließlich für ein Eintopf-Rezept. Erstens verfügte sie über die Zutaten und zweitens schien es relativ einfach zu sein – alles in den Topf geben und rühren.
Schon bald hing ein würziges Aroma von Kräutern und Wein in der Küche. Die späte Nachmittagssonne fiel durch die Fenster, und irgendwann kam Sophie herein und strich miauend um Abbys Beine.
„Betteln gehört sich nicht“, sagte Abby gespielt streng, dann beugte sie sich lächelnd vor und hielt Sophie ein Stückchen Fleisch hin.
Eigentlich ist alles perfekt, dachte sie mit einem stillen Seufzer. Der Duft des Essens, der Sonnenschein, die Katze … das Bild eines wirklichen Heims. Doch es war nur ein Trugbild, mehr nicht. Es war nicht von Dauer, und der Mann im Zentrum dieser Fantasie liebte sie nicht. Er wollte ja nicht einmal Zeit mit ihr verbringen.
„Hör auf damit, Abby“, sagte sie laut in den Raum hinein. „Es wird nicht geschehen, also vergiss es.“
„Was wird nicht geschehen?“
Erschreckt sah sie auf. Luc stand in der Küchentür, mit einer Schulter an den Rahmen gelehnt.
„Redest du mit der Katze?“
„Mit mir selbst“, gab sie zu und setzte den Deckel auf den Topf. „Ist eine Angewohnheit von mir.“
„So?“
„Es ist ja sonst niemand da, mit dem ich reden könnte“, konterte sie spitz, und Luc zuckte entschuldigend mit den Achseln. Zumindest hoffte sie, dass es eine Art Entschuldigung sein sollte.
„Tut mir leid. Ich war lange nicht mehr hier. Es gab einige Dinge aufzuarbeiten.“
„Wenn ich ein solches Haus hätte, würde ich immer hier bleiben.“ Abby wollte schnippisch klingen, stattdessen klang es viel zu ernsthaft.
Luc verharrte nachdenklich. „Wirklich?“
„Ich meine, es ist so idyllisch hier.“ Beschäftigt wischte sie mit einem Spültuch die Anrichte sauber.
„Ich bin froh, dass du so denkst. Darauf hatte ich gehofft, als ich dich herbrachte.“
Sie wusch das Tuch aus und hing es zum Trocknen auf. „Wenn du nicht hier warst, wo warst du dann?“
„Meist in Paris.“
Wie war es möglich, dass ein einziges Wort so viele Erinnerungen
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