Julia Extra Band 0319
auslöste? Süß wie Honig flossen sie durch Abbys Adern, mit einer Macht, die sie fast schwanken ließ. „Wohnst du dann im Hotel?“ Sie wünschte, sie hätte die Frage nicht gestellt. Fast konnte sie den Champagner auf der Zunge prickeln fühlen, spürte wieder die süße Sehnsucht von damals.
„Nein, ich hatte eine Wohnung dort. Aber ich habe sie verkauft.“
„Warum?“
Er zuckte nur stumm die Schultern, hob den Deckel vom Topf und schnupperte. „Das riecht gut“, lenkte er ab. „Was ist es?“
Abby seufzte still. Eine weitere unbeantwortete Frage. Sie würde es wohl schlicht akzeptieren müssen. „ Cassoulet . Ich dachte, auf die Schnecken an Brennnesseln verzichte ich lieber.“
Sein Lächeln fuhr ihr direkt in den Leib. „Wir hätten welche vom Markt mitbringen sollen. Sie sind wirklich gut, wenn sie frisch sind.“
„Da werde ich mich wohl auf dein Wort verlassen müssen“, erwiderte sie, und sein leises Lachen bahnte sich einen Weg direkt in ihr Herz. Wieder fühlte sie dieses seltsame Zucken, dieses Mal noch stärker. „Oh!“
„Abby, was ist? Alles in Ordnung?“
„Ja …“ Sie legte die Hand auf ihren Bauch. „Das Baby … sie strampelt! Ich hab’s gefühlt!“ Sie lachte glücklich. „Da, schon wieder!“
„Darf ich …?“
„Ja. Ja, natürlich!“ Aufgeregt fasste Abby seine Hand und zog sie auf die Stelle an ihrem Bauch. Gespannt warteten sie ab, und nach einem Moment strampelte das Baby wieder, trat direkt in Lucs Handfläche, und er lachte verblüfft auf.
„Ist es nicht wunderbar?“ Abby strahlte von einem Ohr zum anderen. „Sie ist wirklich da drinnen.“
Sie standen da, die Blicke ineinander verhakt, stumm versunken in den innigen Moment. Abby spürte ihren Herzschlag, schwer und kraftvoll, und das Dröhnen ihres Pulses hallte immer lauter in ihren Ohren. Sie wünschte, dieser Moment würde ewig andauern, Luc und sie vereint in dem Wunder ihres gemeinsamen Kindes, in dem Kokon aus Wärme und Intimität. In diesem Moment überwältigte sie das Gefühl, dass alles möglich war, dass die Welt, das Leben und die Liebe ihnen zu Füßen lag.
„Luc“, hauchte sie und wagte nicht mehr zu sagen. Sie schloss die Augen, um diesen Moment bis zur Neige auszukosten. Dann hob sie die Hand, um sie auf seine zu legen, doch bevor es dazu kam, ließ er seine Hand sinken und trat zurück.
„Ich muss noch ein paar Anrufe erledigen“, meinte er abrupt. Bevor Abby noch etwas sagen konnte, hatte er die Küche bereits verlassen.
Mit blinden Augen eilte Luc in sein Arbeitszimmer, stützte sich mit beiden Händen auf dem Schreibtisch ab und holte tief Luft. Ihn schwindelte von dem kurzen gemeinsamen Moment mit Abby, noch immer konnte er die leichten Tritte des Babys an seiner Handfläche fühlen. Das Bewusstsein elektrifizierte seine Seele. Er fühlte sich glücklich, lebendig, voller Hoffnung. Er fühlte … stärker als je zuvor. Seine Seele war wieder lebendig geworden. Es war ein fantastisches Gefühl. Ein Angst einflößendes. Er schloss die Augen. Aber dass auf die Freude gleich die Angst folgte, behagte ihm nicht. Wenn man so viel besaß, konnte man auch sehr viel verlieren.
Einen Augenblick lang sah er wieder das Bild vor sich – das zerbeulte Auto, der Geruch des Todes. Und er fühlte die Hilflosigkeit, die ihn damals überkommen hatte.
Er durfte Abby nicht verlieren. Und doch … sie waren nicht verheiratet, waren nicht einmal ein Paar. Sie war nur wegen des Kindes mit ihm gekommen, das durfte er nie vergessen. Er musste Distanz halten, durfte nichts empfinden, musste verhindern, dass Gefühle in ihm aufkamen.
Es wäre zu gefährlich. Für sie beide.
Erst als Abby das Cassoulet in getöpferten Schüsseln servierte, kam Luc in die Küche zurück. Sie schaute zu ihm und zwang sich bemüht zu einem Lächeln.
„Hoffentlich hast du Hunger. Ich habe genug für eine ganze Armee gekocht.“
Luc erwiderte nichts, setzte sich an den Tisch und schob Abby ein flaches Handy zu. „In nächster Zeit werde ich beschäftigt sein. Aber du kannst mich jederzeit erreichen. Ich habe meine Telefonnummer eingespeichert.“
„Ich verstehe.“ Ihre Finger legten sich automatisch um das kleine Mobiltelefon. Ein weiteres Zeichen, dass Luc sich emotionell zurückzog. Und hatte sie ihn in Cornwall denn nicht gebeten, er solle sie in Ruhe lassen? Genau das tat er. Oder hatte sie sich selbst etwas vorgemacht? War sie mit der Hoffnung nach Frankreich gekommen, ihnen würde eine zweite, nein
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