Julia Extra Band 0319
erzählen würde.
„Wo schlafe ich?“, fragte sie.
„Oben sind drei Schlafzimmer. Du kannst dir eines aussuchen.“
„Wo schläfst du?“ Sie wurde rot bis an die Haarspitzen. „Ich meine, nur damit ich weiß, welches ich nicht haben kann.“
Luc drehte sich zu ihr um, sein Blick war düster. „Normalerweise schlafe ich in dem Zimmer, das nach hinten rausgeht. Aber es ist gleich.“
„Du wohnst nicht hier? So hört es sich an …“
„Ich wohne hier, wenn ich in der Gegend bin“, meinte er. „Die meiste Zeit bin ich aber geschäftlich unterwegs.“
„Um deine Besitztümer zu verwalten.“
„Richtig.“
„Also gut. Dann gehe ich mir jetzt ein Zimmer aussuchen und ruhe mich aus.“ Impulsiv hob sie die noch immer schnurrende Sophie auf. Sie konnte liebenswürdige Gesellschaft gebrauchen.
Abby wählte das Zimmer für sich, das am weitesten von Lucs entfernt lag, ein anheimelndes Zimmer mit einem Doppelbett, einer großen Mahagoni-Kommode und einem wunderschönen Ausblick auf die im Frühlingssonnenschein daliegenden Lavendelfelder. Seltsam, wie genau sie sich das alles vorgestellt hatte. So als hätte ein Teil von ihr das alles schon gekannt. Ein sonderbarer, ja beunruhigender Gedanke, und doch spürte sie es tief in sich. Das hier war wie ein Zuhause. Oder könnte es sein, wenn die Dinge anders ständen. Wenn Luc anders wäre …
Sie seufzte leise und schaute zu den dunklen Dächern des Schlosses hinüber. Ob Luc auch dieses Schloss gehörte? Er war so angespannt gewesen, als sie daran vorbeigefahren waren. Hatte er dort mit seiner Frau gelebt? So neugierig sie auch war, sie würde ihn nicht fragen. Sie bezweifelte, dass sie schon bereit war, die Antworten zu hören.
Als sie wieder nach unten kam, schaute Luc nur kurz auf und sortierte dann weiter seine Post. „Du solltest für den Rest des Nachmittags ausruhen. Morgen fahren wir nach Pont-Saint-Esprit, um Vorräte einzukaufen.“
„Ja, gut.“ Bedrückt stieg sie die Treppe wieder hinauf. Sie hätte gern das Haus erkundet, hätte gern mehr über den Mann herausgefunden, in den sie sich halb verliebt hatte. Nur halb, da sie die andere Hälfte ja gar nicht kannte. Und so wie es aussah, auch nie kennenlernen würde.
Abends bereitete Luc ein Essen aus Pasta und einer Fertigsauce für sie beide zu. Sie aßen zusammen in der Küche, während die Sonne hinter den Hügeln unterging.
„Mir wird wohl gar nichts anderes übrig bleiben, als kochen zu lernen“, neckte Abby ihn, aber er zuckte nur mit den Achseln.
„Sicher, wenn du möchtest.“
Es war nicht zu übersehen – seit sie in Frankreich angekommen waren, hatte Luc sich völlig in sich selbst zurückgezogen. Das Lachen war aus seinen Augen verschwunden, nicht einmal seine Mundwinkel zuckten. Die grüblerische Dunkelheit, die Abby schon vorher an ihm so überdeutlich aufgefallen war, trat an die Oberfläche und beherrschte sein Wesen wie ein düsterer Schatten. Er redete kaum, und sobald es möglich war, zog er sich in sein Refugium zurück – die Arbeit.
Am nächsten Morgen fuhren sie in das Städtchen, um wie geplant Vorräte zu besorgen.
„Heute ist Markttag“, erwähnte Luc. „An frischem Obst und Gemüse sollte ein reichhaltiges Angebot herrschen.“
Abby nickte nur. Sie brauchte dringend frische Luft, hatte es gar nicht erwarten können, der düsteren Atmosphäre des Bauernhauses zu entkommen. Hätte sie gewusst, dass Luc sich hier so verhalten würde, wäre sie nie mit nach Frankreich gekommen, ganz gleich, wie wenig andere Möglichkeiten sich ihr auch boten.
Luc parkte den Wagen nahe dem Zentrum, dann gingen sie über mit Kopfstein gepflasterte Straßen vorbei an kleinen Läden und bunten Marktständen. Abby war begeistert von den bauchigen Flaschen mit Olivenöl, den langen Zöpfen von Knoblauch und Zwiebeln und den Kisten voll mit goldenen Orangen. Bald schon war der Korb, den Luc trug, gefüllt.
Er schaute mit hochgezogenen Augenbrauen auf die vielen verschiedenen Dinge, die Abby eingekauft hatte. „Mit all den Sachen willst du kochen?“
„Natürlich!“, antwortete sie, um dann kleinlaut hinzuzufügen: „Dazu werde ich aber wohl ein Kochbuch brauchen.“
„Im Haus stehen mehrere, allerdings in Französisch. Aber das ist für dich sicher kein Problem, oder?“
„ Certainment pas “, erwiderte sie schwungvoll und erntete dafür die Andeutung eines Lächelns.
Vor einer Auslage mit Weinflaschen blieb sie stehen und las die Etiketten. „Château Mirabeau …
Weitere Kostenlose Bücher