Julia Extra Band 0319
kam. Luc stand am Tisch und sortierte seine Post. „Ich verdiene mir meine Unterkunft nicht, hab ich recht?“
Er sah auf. Sein Blick schien zuerst warm und offen, bevor er sich sofort wieder verschloss. „Deshalb bist du nicht hier.“
„Mh.“ Sie ging zum Kühlschrank und nahm den übrig gebliebenen Eintopf von gestern heraus. Das würde heute als Abendessen reichen müssen. „Ich frage mich, warum ich dann hier bin.“
„Um auszuruhen und zu entspannen, damit unser Kind in Sicherheit ist.“
Natürlich, warum sonst? Gerade hatte sie den ersten Tag ihres unfreiwilligen Exils hinter sich, und schon fühlte sie sich rastlos und suchte Streit. „Ich habe mir heute das Schloss angesehen“, sagte sie und war verwundert über die sonderbare Spannung, die plötzlich im Raum hing.
„So?“ Luc warf die Briefe auf den Tisch zurück.
„Ja. Es ist wunderschön, wenn auch ein wenig vernachlässigt. Wieso wohnt niemand dort?“
„Ich dachte, das Tor sei verschlossen?“
Abby hob verwundert die Augenbrauen. Woher wusste Luc das? Plötzlich fiel ihr der veränderte Ausdruck seiner Augen auf. „Gehört es etwa deiner Familie?“
„Ja“, erwiderte er kurz angebunden. „Doch ich ziehe es vor, hier in diesem Bauernhaus zu wohnen. Für meine Ansprüche reicht es vollkommen.“
„Nur dass du hier auch nicht wirklich wohnst.“
„Ich bin ein beschäftigter Mann, Abby“, erklärte er ausweichend.
„Offensichtlich.“ Sie holte Luft, sammelte ihren ganzen Mut, um fortzufahren. „Zu beschäftigt, um Zeit für mich zu haben. Obwohl ich mich frage, ob du einfach nur versuchst, mir aus dem Weg zu gehen.“
Er verharrte, um sich dann langsam zu ihr umzudrehen. „Warum sollte ich so etwas tun?“
„Das weiß ich nicht, Luc. Sag du es mir.“
„Amateurpsychologie interessiert mich nicht.“
„Es war mir nicht bewusst, dass ich mich daran versuche. Aber vielleicht sollte ich wirklich mal den Psychiater spielen. Also, warum hast du mich hergeholt, wenn du vorhattest, mich zu ignorieren? In Cornwall hätte mich der Notarzt ebenso schnell erreicht wie du mich hier.“ Sie holte so tief Luft, dass ihre Lungen schmerzten. „Es gibt keinen Grund für mich, hier zu sein, oder?“
Lucs Nasenflügel bebten. „Das stimmt nicht.“
„Ich dachte, du wolltest teilhaben, wenn schon nicht an meinem Leben, so an dem Leben des Babys. Aber mir ist klar geworden, dass es so nicht funktioniert. Für uns beide nicht.“
„Abby …“
„Was willst du von mir? Ich wünschte, du würdest mich wirklich in Ruhe lassen und mir nicht dieses halbherzige Leben anbieten. Du wolltest doch, dass ich mit dir nach Frankreich komme, aber jetzt ignorierst du mich!“
„Es tut mir leid. Ich dachte, ich hätte mich klar ausgedrückt, was du von mir erwarten kannst.“ Er sprach tonlos, mit schmalen Lippen.
Und das schmerzte nur noch mehr. „Du meinst, nichts, richtig?“, mutmaßte sie sarkastisch. Sie wartete auf eine Reaktion, die jedoch nicht kam. „Ich verstehe.“ Abby wischte sich eine einzelne Träne aus dem Augenwinkel. Warum überraschte sie sein Verhalten? Es war doch nur ihr dummes Herz, das auf mehr gehofft hatte. „Nun, wahrscheinlich sind die Hormone schuld, dass ich so emotional reagiere.“
Luc nickte nur knapp, offensichtlich wollte er ein weiteres Gespräch vermeiden. „Ich hole nur ein paar Dinge von meinem Schreibtisch“, murmelte er, und schon war Abby wieder allein.
Wie auch am nächsten Tag. Den Morgen verbrachte Abby in der Küche und suchte nach einem neuen Rezept. Sie entschied sich für ein Pastagericht und stellte fest, dass ihr die wichtigste Zutat fehlte – Pasta. Und da die Sonne von einem strahlend blauen Himmel schien, beschloss sie, Nudeln im Dorf zu besorgen.
Schon seltsam … als sie hier ankam, war ihr das Haus so einladend erschienen, wie ein richtiges Zuhause. Aber jetzt nutzte sie jeden Vorwand, es zu verlassen, weil es ihr wie ein Gefängnis vorkam.
Abby ging in die Diele und zog ihre Jacke über. Und erblickte plötzlich den großen alten Schlüssel auf dem Regal neben der Haustür. Sie nahm ihn, wog ihn gedankenverloren in der Hand, dann schlug sie mit energischen Schritten den Weg zum Schloss ein.
Der Schlüssel passte und ließ sich mit nur wenig Anstrengung drehen. Abby versetzte der Tür mit den Fingerspitzen einen Stoß, und sie schwang nach innen.
Durch die Risse und Fugen der Fensterläden fiel Sonnenlicht in die große Eingangshalle und ließ die Staubkörnchen funkeln.
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