Julia Extra Band 0325
er sie. „Ein Kind, das der rechtmäßige Erbe des Throns ist. Der Erbe einer Position, von der ich abdanken wollte.“ Die bitteren Worte entschlüpften ihm, bevor er sich zurückhalten konnte.
Melissa starrte ihn über den Tisch hinweg an. „Du wolltest die Regentschaft aufgeben? Aber warum denn nur?“
„Weil ich mich wie in einer Falle fühle“, antwortete er harsch. „Gezwungen, mein Leben zu leben, wie ich es nicht leben will. Mein Bruder hat einen Sohn … an den ich die Erbfolge abgegeben hätte.“
„Aber dir war es doch von Geburt an bestimmt, eines Tages die Regentschaft zu übernehmen.“ Melissa versuchte all die neuen Informationen zu sortieren. „Du müsstest doch an die Einschränkungen gewöhnt sein, die deine Stellung mit sich bringt.“
Natürlich war er daran gewöhnt. Aber er hatte auch immer einen Ausgleich gehabt – die befreienden wilden Ausritte auf seinem Hengst, die Touren mit seinem Segelboot, das Bezwingen der hohen Berge auf Zaffirinthos. Doch nach seinem Sturz hatte er all diese gefährlichen Aktivitäten aufgeben müssen. Seine Berater hatten ihm die besorgte Stimme des Volkes zugetragen, die fast ihren geliebten Fürsten verloren hätten, und leidenschaftlich mit ihm debattiert.
Cristiano hatte die Logik ihrer Argumente anerkennen müssen, auch wenn seine Wünsche in eine ganz andere Richtung gingen. Als Xavieros Frau dann einen Jungen gebar, war ihm die Idee gekommen, dass er die Regierung an seinen Bruder übergeben könnte. Damit wäre die Erbfolge gesichert, das Volk hätte auch in Zukunft einen Fürsten, und Xaviero säße auf dem Thron, wie er es sich schon immer gewünscht hatte.
Nur … dann war Melissa Maguire aufgetaucht und hatte alle seine Pläne zunichte gemacht.
Er starrte in ihre grünen Augen, studierte die langen dunklen Wimpern. „Seit meinem Unfall ist mir vieles nicht mehr erlaubt, was ich vorher noch tun konnte. Ich fühle mich wie der Vogel, der dabei war, frei in die Lüfte zu steigen, und den man genau in diesem Moment in einen goldenen Käfig gesteckt hat. Eingeschlossen. Gefangen.“
Melissa schluckte. Bei all seiner grausamen Arroganz hörte sie die endlose Einsamkeit aus seiner Stimme heraus. Ihr Herz floss über, sie wollte ihm Trost bieten, obwohl sie wusste, dass er ihr jegliches Mitgefühl vor die Füße zurückschleudern würde. „Aber wirst du dich denn nicht noch mehr eingeschlossen fühlen, wenn du nur wegen eines Babys heiratest?“, wisperte sie.
Seine Augen wurden ausdruckslos. „Ich habe keine andere Wahl.“
„Keine Wahl?“, wiederholte sie. „Jeder Mensch hat eine Wahl. Selbst Fürsten müssen eine Wahl haben.“
„Wie naiv du doch bist, Melissa“, hielt er ihr spöttisch vor. „Das zaffirinthische Gesetzbuch schreibt vor, dass kein regierender Fürst abdanken kann, wenn es einen leiblichen Thronerben gibt. Verstehst du jetzt? Deine Eröffnung über … Ben … bedeutet, dass ich nicht auf den Thron verzichten darf.“
Sie begriff sofort, dass sie und ihr Sohn nur weitere Gitterstäbe in dem goldenen Käfig waren, den er beschrieben hatte.
Melissa wollte ihn nicht einschließen, das war das Letzte, was sie wollte. Ja, er hatte kaltherzig und grausam auf ihre Eröffnung reagiert, aber nun konnte sie es sogar nachvollziehen. Ja, er war arrogant und überheblich, aber einst hatte sie ihn angebetet. Und niemals, wirklich niemals hatte sie es darauf angelegt gehabt, ihn in eine Falle zu locken. Sie fühlte, dass Tränen in ihren Augen brannten.
„Es tut mir so leid, Cristiano“, flüsterte sie, „so unendlich leid.“
Es war das Schimmern der Tränen. Tränen, die ihre Augen hell und glänzend leuchten ließen wie Smaragde. Dieses smaragdgrüne Glitzern, zusammen mit dem leisen Duft nach Flieder, führte ihn zurück an den Ort, den er für immer vergessen glaubte. Die Erinnerung, die sich bisher in den Tiefen seines Geistes versteckt gehalten hatte, stieg auf wie eine Luftblase im See.
Smaragdgrüne Sterne. Er hatte einmal zu ihr gesagt, ihre Augen seien wie smaragdgrüne Sterne.
Er schaute direkt in ihr Gesicht. „Ich erinnere mich.“
Im Licht der flackernden Kerzen erkannte Melissa, wie das Verstehen in Cristianos Augen zog. „Du erinnerst dich … an was?“, fragte sie atemlos.
Er rieb sich mit den Fingerspitzen über die Narbe an der Schläfe, und für einen kurzen Moment fühlte er maßlose Erleichterung, so als wäre ihm eine tonnenschwere Last von den Schultern genommen worden. „An dich. An
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