Julia Extra Band 0325
werden würde, erinnerte sie ihn mit ihrer kühl-gefassten Haltung an eine Schneekönigin.
Ihr Gesicht jedoch ließ ihn stutzen. Eine professionelle Kosmetikerin hatte sich der ungeschliffenen Frau aus der englischen Kleinstadt angenommen und sie in eine nicht wiederzuerkennende Schönheit verwandelt. Er musste daran denken, wie gut sie sich bei der Fotositzung gemacht hatte. Jedes Foto zeigte sie mit einem strahlenden Lächeln, das Baby sicher auf dem Arm – selbst wenn sie sich strikt geweigert hatte, dem Jungen die Haare schneiden zu lassen.
Die Fotografen hatten gebeten, dass das Paar sich küssen und dass Cristiano seinen Sohn auf den Arm heben solle. Beide Bitten hatte er verweigert. Wie sollte er den liebenden Vater spielen, wenn er sich nicht wie ein Vater fühlte? Und auch nicht wie ein verliebter Bräutigam.
Allerdings fühlte er sich wie ein frustrierter Liebhaber, vor allem, als er Melissa jetzt vor sich stehen sah. „Wirklich sehr schön“, wiederholte er leise.
„Danke sehr.“
„Eine pflichtbewusste Erwiderung“, spottete er.
„Auf ein pflichtbewusstes Kompliment.“ Sie war entschlossen, sich wie eine Fürstin zu benehmen. Was hatte er ihr im Restaurant vorgeworfen? Dass sie ihre Emotionen öffentlich zur Schau stellte? Nun, das würde ihr so schnell nicht wieder passieren. An seiner Seite würde sie immer kühl und gefasst auftreten, sie würde ihn stolz machen, dass sie seine Fürstin war.
„Ich meinte es ernst“, murmelte er. „Obwohl du meiner Meinung nach am schönsten bist, wenn du nichts anhast und in meinem Bett liegst.“
Wäre ihre Beziehung normal, hätte sie seine Worte als Ausdruck eines vor Leidenschaft brennenden Bräutigams aufgefasst. Doch so klang seine Erklärung nur wie ein arroganter Besitzanspruch.
„Dafür haben wir ja die Flitterwochen“, erwiderte sie, dann jedoch kaute sie an ihrer Lippe. „Ich hoffe wirklich, dass während unserer Abwesenheit mit Ben alles glattläuft.“
„Natürlich, deine Tante kümmert sich doch um ihn. Es ist ja auch nur für eine Nacht.“
„Ich weiß. Aber all das hier …“ Sie schaute sich bedrückt um und zuckte dann resigniert die Schultern. „Er ist es nicht gewohnt.“
„Du hast ihn doch auch allein gelassen, als du damals den Ball mit arrangiert hast. Da hattest du auch keine Bedenken.“
Zögernd nickte sie. „Ja, ich weiß.“
„Du wirkst unsicher, Melissa“, bemerkte er leise. „Hast du etwa Angst, allein mit mir zu sein?“
Umsonst versuchte sie den leichten Spott in seinen goldenen Augen zu ignorieren. Ihr Herz begann wild zu schlagen. „Nein, natürlich nicht.“
Es war gelogen, sie hatte Angst. Angst vor den eigenen Gefühlen, weil sie nicht wusste, ob sie sie unter Kontrolle halten konnte. Und was machte man in den Flitterwochen mit einem Mann, der praktisch ein Fremder war?
Für Melissa verlief die Trauungszeremonie wie in einem dunstigen Nebel. Xaviero und Orso fungierten als Trauzeugen, für Melissa jedoch gab es keine Brautjungfern, obwohl sie mehrere Freundinnen kannte, die die Gelegenheit nur zu gern wahrgenommen hätten. Catherine saß mit Cosimo neben Tante Mary, die Ben auf ihrem Schoß hielt, sie hatte Melissa zugeflüstert, dass man auf Zaffirinthos allgemein eher zu Hochzeiten im kleinen Kreis neigte.
Es war ein wenig beängstigend, als man ihr die Krone auf das Haupt setzte. Sie hatte das Gefühl, den Hals steif und den Kopf gerade halten zu müssen, damit die schwere Krone nicht herunterrutschte.
Doch trotz aller Unsicherheiten und Zweifel fühlte Melissa Stolz in ihrer Brust anschwellen, als Cristiano den Ehering über ihren Finger streifte.
Ich tue es für Ben, sagte sie sich immer wieder. Sie werden einander lieben lernen. Natürlich würden sie das. Wie sollte jemand dem engelsgleichen Lockenkopf widerstehen können? Und vielleicht … vielleicht bestand ja sogar die Chance, dass sich irgendwann mit der Zeit auch etwas zwischen ihr und Cristiano entwickelte. Nicht unbedingt Liebe, aber bestimmt doch zumindest eine funktionierende Beziehung?
Zum festlichen Klang der Glocken schritt das frisch getraute Paar Seite an Seite aus der Kathedrale. Unter blauem Himmel hatte sich auf dem Marktplatz eine Menschenmenge versammelt, die ihre neue Fürstin mit Hochrufen bejubelte.
Nach dem opulenten Hochzeitsfrühstück ging Melissa sich umziehen. Cristiano und sie würden zu dem Anwesen der fürstlichen Familie auf der Ostseite der Insel fahren, um dort die Flitterwochen zu
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