Julia Extra Band 0325
sagte ihr, dass sie an einer Wegkreuzung angekommen waren.
„Dann muss ich dir sagen, dass ich so nicht leben kann“, wisperte sie. „In einer so sterilen Atmosphäre wird unsere Ehe wahrscheinlich nicht lange halten. Nichts kann in einer solchen Atmosphäre überleben. Vielleicht bin ich eines Tages nicht mehr hier, wenn du von einer deiner vielen Verpflichtungen zurückkommst.“
Lange herrschte drückendes Schweigen. „Das hört sich sehr nach einem Ultimatum an, cara “, meinte Cristiano schließlich gefährlich leise.
Sein Blick warnte sie, nichts mehr zu sagen. Doch wie konnten sie überhaupt irgendeine Beziehung haben, wenn sie nicht sie selbst sein konnte? „Ich sage dir nur, was ich fühle.“
„Dann sage ich dir , dass ich mich emotional nicht erpressen lasse!“ Er sah noch, dass ihr die Tränen in die Augen schossen, bevor er das Frühstückszimmer verließ und laut die Tür hinter sich ins Schloss warf.
Lange blieb Melissa reglos sitzen, wartete verzweifelt darauf, dass ihr rasender Puls sich beruhigen würde. Hatte ihre Herausforderung das sowieso nur zarte Band zwischen ihr und Cristiano zerrissen? Wie sollte es nun weitergehen?
Mit schwerem Herzen stand sie auf, ging in Bens Zimmer und drückte ihren Sohn an sich. Heute standen keine Termine in ihrem Kalender, und so konnte sie sich ganz auf ihre Mutterrolle konzentrieren. Sie planschte mit Ben im Pool, danach malte sie mit ihm, selbst wenn er noch zu klein war, um den Stift richtig halten zu können. Er brauchte Freunde in seinem Alter, mit denen er spielen konnte. Ob es ihm überhaupt erlaubt sein würde, mit nicht-adeligen Kindern zu spielen?
Selbst die Zeit mit ihrem Sohn konnte die namenlosen Ängste nicht vergessen machen. Der luxuriöse Palast erdrückte Melissa, die Wände schienen ihr zuzuflüstern, dass sie nur hier war, weil sie den Sohn des Fürsten geboren hatte.
Als sie Ben für seinen Nachmittagsschlaf hinlegte, teilte sie Sandy mit, dass sie einen Spaziergang machen wolle. Sie sagte nicht, wohin oder wie lange, weil sie es selbst nicht wusste. Sie sagte auch den Sicherheitsleuten nicht Bescheid, obwohl sich ihr Gewissen meldete, dass sie es tun müsste. In ihrer Suite fischte sie im Ankleidezimmer nach den Jeans und dem Lieblings-T-Shirt aus ihrem alten Leben, sie auszusortieren hatte sie nicht übers Herz gebracht. Nachdenklich schaute sie die Sachen an. Wie lange lag dieses Leben schon hinter ihr!
Melissa schlüpfte in einen einfachen schwarzen Badeanzug, bevor sie Jeans und T-Shirt anzog. Es war ein gutes Gefühl, den weichen, bequemen Stoff auf der Haut zu spüren. Sie seufzte. In den so lange getragenen Sachen fühlte sie sich fast wie die Frau, die damals angereist war, um bei den Vorbereitungen für den Ball zu helfen …
Sie machte sich zu ihrem Spaziergang auf, wanderte durch die Gärten, die ihr inzwischen so vertraut waren. Da hinten lag das Gästehaus – in dem Cristiano sie so kaltblütig verführte, nachdem sie ihm von Ben erzählt hatte.
Melissa wusste, wo die Wachen positioniert waren, und so konnte sie vom Gelände schlüpfen, ohne gesehen zu werden. Ein euphorisches Gefühl von Freiheit überkam sie, dass sie dem dichten Maschennetz der Macht entkommen war. Keine Diener, keine Anstandsdamen, keine Sicherheitsleute. Kein imposanter Ehemann, der nur im Bett ihre Nähe suchte.
Sie bog auf den Pfad, der über die Felsen zum Meer hinunterführte. Auch wenn sie sich noch immer auf dem zum Palast gehörigen Gelände befand, so war das Gefühl von Freiheit doch überwältigend. Am weißen Sandstrand angekommen, fiel ihr ein, dass sie weder ein Handtuch noch etwas zu trinken mitgenommen hatte, und die Sonne stach vom Himmel herunter. Nun, dann würde sie eben nicht lange bleiben. Nur lange genug, dass sie sich einreden konnte, wieder die Melissa von früher zu sein.
Doch so einfach war das nicht. Sicher, sie konnte hier im warmen Sand stehen und sich einbilden, wieder die alte Melissa zu sein, die das außergewöhnliche Glück hatte, einen Privatstrand ganz für sich allein zu haben. Doch diese alte Melissa gab es nicht mehr, sie würde auch nie wieder zurückkehren. Und die neue …? Die kannte sie nicht sehr gut, diese Fürstin Melissa.
Selbstmitleid hat noch keinem geholfen, ermahnte sie sich streng in Gedanken. Na schön, sie hatte also einen Ehemann, der sich verhielt, als wäre er nichts als ein perfekt funktionierender Automat. Aber es gab so viele andere Dinge, für die sie dankbar sein musste.
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