Julia Extra Band 0325
Einen wunderbaren Sohn. Keine finanziellen Sorgen. Gesundheit …
Sie beschloss, schwimmen zu gehen, zog Jeans und T-Shirt aus. Was hatte ihre Mutter immer zu ihr gesagt? Körperliche Bewegung befreit den Geist und klärt die Gedanken!
Dennoch war sie bedrückt, als sie auf das Wasser zuging. Wirklich kalt war es nicht, die azurblauen Wellen schwappten verlockend an ihre Zehen, und so watete sie langsam tiefer hinein.
Ihr entfuhr ein kleiner spitzer Schrei, als eine sanfte Welle bis an ihren Bauchnabel hochschlug, und einen Moment lang war sie glücklich, alle ihre Sorgen vergessen zu können.
Über sich am fernen Himmel konnte Melissa das Dröhnen von Hubschrauberrotoren hören.
10. KAPITEL
„Die griechische Regierung hat volle Kooperation zugesichert, vorausgesetzt natürlich, dieser letzte Zusatz findet Ihre Zustimmung, Hoheit. Hoheit?“
Man hätte eine Stecknadel im Konferenzsaal fallen hören können. Zehn Augenpaare lagen erwartungsvoll auf Cristiano, der sich plötzlich bewusst wurde, dass man eine Frage an ihn gerichtet hatte. Und er hatte nicht die geringste Ahnung, welche. Er hatte den Verhandlungen über die Fischereirechte nur mit halbem Ohr zugehört. Seine Minister waren alle genauestens informiert, Cristiano kannte sich bestens mit dem Thema aus – und doch hatte er sich nicht konzentrieren können.
Weil er ständig an seine eigensinnige Ehefrau denken musste, die unverblümt sagte, was ihr gerade durch den Kopf ging. Und das beim Frühstück!
Ihr Vorwurf, dass er „es nicht mit Gefühlen habe“! Abfällig verzog er die Lippen. Für wen hielt sie ihn? Für einen von diesen neuen Männern, die jedes Gespräch als Therapiesitzung ansahen?
Ihre Anschuldigung, er würde nicht genug Zeit mit Ben verbringen, hatte ihn noch härter getroffen. Glaubte sie etwa, er vermisse das fröhliche Lachen seines Sohnes nicht? Meinte sie, es fehle ihm nicht, wie der Junge seinem Papa zutraulich die Ärmchen um den Hals schlang und sich festklammerte? Natürlich würde er lieber mehr Zeit mit seinem Sohn verbringen! Aber das echte Leben war nun mal keine Hochzeitsreise.
Noch immer sahen die Minister abwartend zu ihm hin, und Cristiano bemühte sich, das Bild von Melissas grünen Augen und ihren bebenden Lippen zu verdrängen.
Im Grunde lief alles auf eine einzige logische Frage hinaus: Wenn er „es nicht mit Gefühlen hatte“, wieso hing dann diese grässliche Leere wie eine dunkle Wolke über ihm?
Er versuchte, Zeit zu schinden, und sah zu Orso. Sein treuer Leibdiener und Vertrauter hatte ihm auch geholfen, die Amnesie vor dem Rest der Welt geheim zu halten. Orso hatte ein untrügliches Gespür für die Stimmung anderer und verstand es, mit seinem Dienstherrn auf stumme Art zu kommunizieren.
Sein Gedächtnis hatte er zurückgewonnen – durch Melissa. Melissa hatte ihm seine Erinnerung zurückgebracht und ihn sich wieder als ganzer Mensch fühlen lassen. Hatte er sich je dafür bei ihr bedankt?
Fragend hob er die Augenbrauen. „Was hältst du von dem Vorschlag, Orso?“
Orso deutete eine Verbeugung an. „Ihr seid der Fürst, Hoheit.“
Das war der Code, mit dem Orso ihn wissen ließ, dass der Deal heute besser noch nicht abgeschlossen werden sollte. Doch heute hörte Cristiano nicht nur die Geheimsprache, sondern er nahm die Worte in ihrem eigentlichen Sinn wahr.
Er stutzte und runzelte die Stirn. Ja, er war der Fürst. Auch wenn er sich viel öfter wie eine Marionette fühlte, gezogen von den Fäden der Verantwortung gegenüber Volk und Land, gefesselt von Traditionen, die seit Generationen vorherrschten. Und doch … er war der Fürst. Er besaß absolute Macht. Er konnte Zaffirinthos nach seinen Vorstellungen regieren. Und wenn er das Fürstentum nicht in die Moderne führte, würde diese Staatsform verkümmern – oder zu einer untragbaren Last für jeden Regenten werden.
Das wäre dann ein Schierlingskelch, den er an seinen Sohn übergeben würde.
Gerade wollte er den Vorschlag machen, den Vertragsabschluss zu vertagen, als die Kammerzofe seiner Frau mit einer solch verzweifelten Miene vor ihm in einen ungelenken Knicks sank, dass er sich den impulsiven Tadel über die Störung verkniff.
„Hoheit … die Fürstin!“
Cristiano schoss von seinem Stuhl auf. „Was ist mit der Fürstin?“
„Sie … sie ist weg.“
„Weg? Wohin?“ Der eisige Schauer überkam ihn völlig unerwartet.
„Wir wissen es nicht, Hoheit. Prinz Benjamin weint nach seiner Mutter, und sie hat angewiesen, dass
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