Julia Extra Band 0327
Personen übertrafen sich gegenseitig an Macht, Reichtum und Schönheit. Sie beobachtete, wie Rafael allen Gästen persönlich die Hand zum Gruß reichte oder ihnen wohlwollend auf die Schultern klopfte.
Die Damen wurden natürlich mit Wangenküssen willkommen geheißen. Die fünf weiblichen Gäste waren bildhübsch und himmelten Rafael an. Kein Wunder, in seinem Smoking sah er ja auch unwiderstehlich aus.
Louisa würdigte er keines Blickes. Er schien sie überhaupt nicht wahrzunehmen. Offenbar betrachtete er sie wie einen der erlesenen Einrichtungsgegenstände, die sie mit so viel Liebe für seine Villa in Istanbul ausgesucht hatte. Genau wie sie selbst würden auch die eines Tages entsorgt werden, wenn er keine Verwendung mehr dafür hatte.
Verzweifelt ballte sie die Hände zu Fäusten und versuchte, den Schmerz zu ignorieren.
„Dominique!“ Er schnurrte wie ein verliebter Kater und drängte sich an Louisa vorbei, um der attraktiven Blondine den weißen Pelzmantel abzunehmen. Mit einem verführerischen Lächeln begrüßte er sie. „Wie schön, dich zu sehen.“
„Guten Abend, Rafael!“ Das französische Starlet mit seiner winzigen Nase, großen blauen Augen und weißblond gefärbtem Haar erinnerte Louisa an eine verwöhnte weiße Perserkatze. Das golden glitzernde Minikleid bedeckte kaum Brustspitzen und Schenkel. Mit vermutlich aufgespritzten knallroten Lippen lächelte sie Rafael neckisch an. „Ich konnte mir doch deine Geburtstagsfeier nicht entgehen lassen, chéri.“
Als sie die beiden so zusammen sah, fühlte Louisa sich plötzlich unscheinbar, ungraziös und unvorteilhaft gekleidet in dem Kleid, das vor fünf Jahren modern gewesen war. Dabei war sie noch zwanzig Minuten zuvor sehr zufrieden gewesen mit ihrem Spiegelbild. Plötzlich fühlte sie sich wie eine graue Maus. Statt so viel Mühe auf ihr Äußeres zu verwenden, hätte sie ebenso gut in eins ihrer unförmigen grauen Outfits schlüpfen und die Hornbrille aufbehalten können. Wenigstens hätte dann niemand über das unscheinbare Mädchen gelästert, das sich herausgeputzt und eingebildet hatte, mit einer Dominique Lepetit konkurrieren zu können.
Rafael und Dominique passten in vielerlei Hinsicht gut zueinander. Auch das französische Filmsternchen war dafür bekannt, seine Liebhaber schnell wieder abzuservieren.
Betreten blickte Louisa zu Boden.
Plötzlich wurde ihr ein Pelzmantel in die Hand gedrückt. Erschrocken zuckte sie zusammen, weil sie das Gefühl hatte, jemand hätte mit einem toten Tier nach ihr geworfen.
„Bringen Sie den Mantel in die Garderobe“, zischte Rafael, ohne den Blick von Dominique abzuwenden.
„Selbstverständlich, Mr. Cruz“, antwortete sie bedrückt.
Die Dinnerparty kam langsam in Schwung. Zunächst wurde den Gästen eine Vorspeisenauswahl serviert, bestehend aus gefüllten Weinblättern mit Limonen-Dip, Artischocken, Humus und Fladenbrot. Dazu wurden Cocktails und argentinische Weine gereicht. Louisa sorgte für einen perfekten Ablauf und beruhigte den Chefkoch, der zwar gesundheitlich wiederhergestellt war, aber wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Küche lief, als ihm bewusst wurde, für welche Berühmtheiten er und seine Küchenbrigade kochten. Hätte Louisa nicht geistesgegenwärtig eingegriffen, hätte er sich aus Versehen fast einen Daumen abgeschnitten.
Sie war auf alle Eventualitäten vorbereitet – dank ihrer guten Ausbildung und mehrjähriger Erfahrung im Umgang mit Personal. Dumm war nur, dass sie sich immer in ihre Chefs verliebte …
Chefkoch und Küchenbrigade waren schnell beruhigt, nun kümmerte sie sich um die aufgeregten Kellner, die den illustren Gästen die einzelnen Gänge servierten. Auch Louisa war unwillkürlich geblendet von den schönen Partygästen, der lebhaften Konversation und den geistreichen Bemerkungen. Natürlich gehörte es sich nicht zu lauschen, doch wenn sie das Esszimmer betrat, um nach dem rechten zu sehen, schnappte sie automatisch die eine oder andere Bemerkung auf. Natürlich blieb ihr auch nicht verborgen, dass Rafael und Dominique heftig miteinander flirteten.
Unglaublich, wie schnell er zur nächsten Blüte geflattert war!
Ihr wurde immer heißer. Sollte sie so einem Mann überhaupt mitteilen, dass sie ein Kind von ihm erwartete? Nachdenklich kehrte sie in die Küche zurück. Vermutlich lehnte er sowieso jede Verantwortung für das Baby ab und gab ihr allein die Schuld an der Schwangerschaft. Wäre er tatsächlich nicht imstande, das Wesen zu lieben,
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