Julia Extra Band 0327
beibringen sollte.
Sie straffte sich und ging zum Kleiderschrank. All die praktischen grauen Klamotten schob sie zur Seite und zog einen Kleidersack hervor. Darin befand sich ein sexy schwarzes Korsagenkleid.
Zuletzt hatte sie es vor über fünf Jahren getragen. Damals war sie verlobt gewesen, ihre Schwester war während der Semesterferien zu Besuch gekommen und hatte darauf bestanden, einen Einkaufsbummel mit ihr zu machen.
„Hast du ein Glück.“ Fast ein wenig neidisch hatte Katie sie angesehen. „Von der Haushälterin zur Ehefrau eines reichen Mannes.“
„Ich liebe ihn“, antwortete Louisa lächelnd. Und dann hatte sie sich überreden lassen, dieses sündhaft teure Kleid für die Verlobungsparty zu kaufen. Sie wollte besonders hübsch aussehen für Matthias und versuchen, seine Freunde zu beeindrucken. Einige Wochen später, genauer gesagt: eine Stunde vor Beginn der Verlobungsfeier hatte ihre neunzehn Jahre alte Schwester sie um ein vertrauliches Gespräch gebeten.
„Wie konntest du nur?“ Louisa war außer sich. „Du bist meine Schwester. Wie konntest du mir das antun?“
„Es tut mir so leid!“ Katie war völlig aufgelöst. „Ich wollte nicht schwanger werden. Aber ich glaube dir einfach nicht, dass du ihn liebst. Dann würdest du ihn nämlich nicht bis zur Hochzeitsnacht hinhalten. Das ist doch völlig antiquiert.“
„Dann bin ich eben antiquiert.“ Wütend und verzweifelt zugleich hatte Louisa ihre Handtasche an sich gerissen und Hals über Kopf das Haus verlassen. Außer sich vor Enttäuschung kehrte sie Miami den Rücken und war schließlich in Paris gelandet.
Statt das Kleid zu entsorgen, hatte sie es all die Jahre aufgehoben. Es war das einzige Kleidungsstück aus ihrem alten Leben, aus einer Zeit, bevor sie Angst vor der Liebe bekommen hatte, bevor sie einfach von der Bildfläche verschwunden war und wie ein grauer Geist umherhuschte.
Louisa schlüpfte in das aufreizend wirkende schwarze Kleid und machte sich keine Hoffnungen, Rafael könnte je ihre Liebe erwidern. Eine Heirat käme für ihn schon gar nicht infrage. Sie konnte nur beten, dass er wenigstens ihr gemeinsames Kind lieben und anerkennen würde. Nur aus dieser Hoffnung heraus zog sie das Kleid an.
Es war ihr etwas zu groß, denn sie hatte in den vergangenen Jahren abgenommen. Immer wieder ließ sie Mahlzeiten aus, weil sie einfach keine Zeit zum Essen hatte. Irgendwo habe ich doch einen Gürtel, dachte sie. Ach, da war er ja. Louisa schnallte ihn um und betrachtete zufrieden ihr Spiegelbild. Dann bürstete sie das lange Haar, bis es ihr duftig über die Schultern fiel und ersetzte die Hornbrille durch Kontaktlinsen, bevor sie die Wimpern tuschte und Lippenstift auflegte.
Fast hätte sie sich selbst nicht wiedererkannt.
Sie sah ja richtig hübsch aus!
Hoffentlich kam ihr das zugute. Ihr wurde schon schlecht vor Angst, wenn sie an Rafaels Reaktion auf ihre Neuigkeit dachte.
Zögernd begab sie sich auf den Weg nach unten. Die ersten Gäste trafen bereits ein. Rafael erwartete sie in der Halle. Louisa blieb stehen und hielt sich am Treppengeländer fest. Dann schloss sie kurz die Augen und atmete tief durch. Eine Hand hatte sie schützend auf den Bauch gelegt. Stand die Nacht der Entscheidung bevor? Würde ihr sehnlichster Traum in Erfüllung gehen?
„Ich bin schwanger, Rafael“, wollte sie sagen.
Erstaunt würde er sie ansehen und sie nach einer Schrecksekunde an sich ziehen. „Das freut mich“, würde er glücklich sagen. „Natürlich will ich das Baby haben. Und ich will dich haben. Du bist mein Ein und Alles, querida.“ Dann würde er ihr tief in die Augen schauen und flüstern: „Ich liebe dich, Louisa.“
„Louisa!“
Erschrocken schlug sie die Augen auf und begegnete Rafaels ungehaltenem Blick.
„Was tust du hier in diesem Aufzug?“, fragte er unwirsch und musterte sie von Kopf bis Fuß.
Das war nun nicht gerade die Reaktion, die sie sich erhofft hatte. Unsicher rang Louisa sich ein Lächeln ab und ging die Treppe weiter hinunter – etwas wackelig auf den ungewohnt hohen Absätzen.
„Ich muss doch schick sein für die Party“, erklärte sie, als sie eine Stufe über ihm stehen blieb und vergeblich auf ein Lächeln wartete. „Zu deinem Geburtstag.“
Rafael war alles andere als erfreut. Mit finsterer Miene sah er sie an. „Du wirst alle Blicke auf dich ziehen.“
Das Dienstpersonal hat unsichtbar zu sein. Dieser Grundsatz war ihr zehn Monate lang eingeschärft worden. Nach dem Tod ihrer
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