Julia Extra Band 0327
Eltern hatte Louisa schweren Herzens auf ein Studium verzichtet – ihr war sogar ein Stipendium in Aussicht gestellt worden, aber sie wollte sich um ihre jüngere Schwester und die kränkelnde Großtante kümmern, bei der sie Unterschlupf gefunden hatten. Dann war die Tante gestorben und hatte ihr einen Geldbetrag hinterlassen, der gerade für den Besuch einer Butlerschule ausreichte. Was hatte sie dort gelernt? Ihr Arbeitgeber betrachtet Sie nicht als Person, sondern als Rädchen im Getriebe, das funktionieren muss. Sie müssen sich unsichtbar machen und dürfen niemals in die Privatsphäre Ihres Arbeitgebers eindringen und ihn auf sich aufmerksam machen. Das würde Sie beide in Verlegenheit bringen.
Daran erinnerte Louisa sich nun. Sie straffte sich. „Gefällt dir das Kleid nicht?“
Missbilligend funkelte er sie an. „Nein!“
Fast unvorstellbar, dass sie am Morgen noch in seinen Armen aufgewacht war! Nackt hatten sie später am Fenster gestanden und den Blick über die strahlendblaue Ägäis genossen. Und jetzt behandelte Rafael sie so abweisend. Dabei wäre ihr seine Aufmerksamkeit gerade jetzt wichtig gewesen.
War er mit den Gedanken etwa schon bei Dominique Lepetit, die sich auf dem Weg nach Istanbul befand? Hatte er sie, Louisa, schon vergessen?
„Zieh dich um!“, forderte er sie barsch auf. „Die Gäste werden jeden Moment eintreffen.“
Sein plötzliches Desinteresse versetzte ihr einen schmerzvollen Stich. Genau wie er es vor zwei Tagen versprochen hatte, war sein Begehren gestillt, die kleine Affäre war vorbei. Rafael war bereit für die nächste Eroberung.
Louisa atmete tief durch und versuchte, sich einzureden, es wäre unerheblich, ob sie ihm etwas bedeutete. Zuallererst musste sie jetzt an ihr ungeborenes Kind denken. Deshalb durfte sie Rafael auch nicht verschweigen, dass sie ein Baby von ihm erwartete.
Als er sich abwenden wollte, hielt sie ihn fest. Allen Mut zusammennehmend sagte sie: „Ich muss mit dir sprechen.“
Schweigend starrte er auf die Hand, mit der sie ihn festhielt. Sofort ließ Louisa ihn los, als hätte sie sich verbrannt.
„Du fliegst morgen nach Buenos Aires“, sagte er nur in eisigem Tonfall.
„Buenos Aires?“, fragte sie konsterniert. Er wollte nicht, dass sie mit ihm nach Paris zurückkehrte? „Wieso Buenos Aires?“
„Weil du dort die Haushaltsführung übernehmen wirst.“ Er wandte sich endgültig ab. „Jetzt zieh dich um!“
Louisa zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen.
Deutlicher konnte eine Abfuhr nicht sein. Plötzlich war sie für Rafael wieder ausschließlich die Haushälterin.
Im Grunde genommen war sie ihm auch auf der griechischen Insel zu Diensten gewesen, auch wenn sie sich eingebildet hatte, seine Geliebte zu sein, die er verwöhnte. Allerdings hatten sich ihre Dienste aufs Bett und nicht auf den Haushalt erstreckt. Jetzt wurde von ihr erwartet, sich wieder in die unsichtbare Haushälterin zu verwandeln.
Als Geliebte hatte sie ausgedient, nun war wieder die tüchtige Bedienstete gefragt.
Das kann er haben, dachte Louisa und biss die Zähne zusammen. Sie dachte gar nicht daran, sich nach Buenos Aires abschieben zu lassen und dort zu versauern, während Rafael sich mit immer neuen Gespielinnen vergnügte.
Wie konnte sie sich nur einbilden, dass er sie je lieben würde. Da war wohl die Fantasie mit ihr durchgegangen.
Das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Ihr war unwohl. Doch sie riss sich zusammen. Schließlich hatte sie jetzt keine Zeit, sich um sich selbst zu kümmern. Es stand ein arbeitsreicher Abend bevor.
Sie hatte alles perfekt für die Dinnerparty organisiert. Rafael würde keinen Grund finden, sich über irgendetwas zu beschweren. Wie immer leistete seine Haushälterin ausgezeichnete Arbeit.
Louisa nahm sich vor, ihm später zu gestehen, dass sie versehentlich schwanger geworden war. Nicht weil sie sich Hoffnungen machte, es könnte ihm etwas bedeuten, sondern weil ihr Kind es verdiente, einen Vater zu haben, und weil Rafael es verdiente, die Wahrheit zu erfahren. Mehr aber auch nicht.
Sie hob das Kinn, als es an der Tür klingelte.
„Tut mir leid, die Gäste sind schon da“, sagte sie mit zuckersüßer Stimme. „Mir bleibt keine Zeit mehr zum Umziehen. Entschuldigung.“
Energisch schob sie sich an ihm vorbei und öffnete die Haustür.
Freundlich begrüßte sie die Gäste und nahm ihnen die Mäntel ab. Alles war bereit für eine elegante Dinnerparty. Dafür hatte Louisa persönlich gesorgt. Die eintreffenden
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