Julia Extra Band 0330
müssen uns unterhalten“, erklärte er ernst, als er sie vorsichtig auf dem Bett absetzte.
Zu ihrer Enttäuschung setzte er sich ein ganzes Stück von ihr entfernt auf die Bettkante und sah Libby erwartungsvoll an.
Unruhig faltete sie ihre bebenden Hände im Schoß und suchte nach den richtigen Worten. „Wahrscheinlich wirst du mir das nicht abnehmen, aber ich fühle mich wirklich grauenhaft, weil ich dich belogen habe. Du hast jedes Recht, wütend auf mich zu sein.“
Ihre Entschuldigung klang so überzeugend, dass es Raul schwerfiel, ihr intrigante Taktik zu unterstellen. Und falls sie ihm doch etwas vormachte, wen kümmerte es? Nach wie vor war sein Hauptanliegen, die volle Kontrolle über die Firma zu erhalten. Auch seine weiteren Gründe, Libby zu heiraten, hatten nach wie vor Bestand: Er wünschte sich Kinder, und er begehrte diese aufregende Frau wie keine andere vor ihr.
Seufzend beugte er sich vor und strich mit einer Hand durch Libbys feuerrote Locken. „Ich glaube, ich kann verstehen, warum du es getan hast“, beruhigte er sie. Natürlich ärgerte ihn ihre Lüge noch, andererseits bewunderte Raul aber auch, wie hart Libby um ihren Bruder kämpfte. „Wäre ich an deiner Stelle gewesen, hätte ich auch alles getan, um meinen Bruder nicht in staatliche Fürsorge geben zu müssen. Meine Erinnerungen an das Waisenhaus sind nicht gerade die besten.“
„Wie alt warst du bei deiner Adoption?“
„Sieben.“
„In dem Alter durfte ich das Heim verlassen und wieder bei meiner Mutter leben. Kurz danach sind wir nach Ibiza gezogen. Weißt du etwas über deine leiblichen Eltern?“, fragte Libby.
„Nur, dass sie in einem ärmeren Viertel von Neapel lebten. Meine Mutter ist wohl kurz nach meiner Geburt gestorben, und die ersten Jahre meines Lebens habe ich allein bei meinem Vater verbracht.“ Rauls verbitterte Grimasse war herzzerreißend. „Meine Erinnerungen an diesen riesigen, brutalen Mann beschränken sich auf die Striemen, die sein Gürtel regelmäßig auf meinem Körper hinterlassen hat. Er war Alkoholiker, obwohl ich das damals natürlich nicht begriffen habe. Ich wusste nur, dass er unberechenbar und cholerisch war. Als ich fünf war, starb auch er. Ich weiß gar nicht genau, was ihm zugestoßen ist, aber ich vermute, dass er einer kriminellen Vereinigung angehörte und ihm seine schiefe Laufbahn schließlich zum Verhängnis wurde. Eines Abends ging er fort, und wenige Stunden später brachen Polizeibeamte die Tür zu unserer Wohnung auf und brachten mich ins Waisenhaus.“
Bevor er weitersprechen konnte, räusperte Raul sich laut. „Ich war ein schwieriger Junge. Die Nonnen, die das Heim leiteten, hatten alle Hände voll zu tun, um mich unter Kontrolle zu bringen. Niemand wollte mich überhaupt nur für einen begrenzten Zeitraum zu sich in Pflege nehmen, und es sah schon so aus, als müsste ich meine gesamte Kindheit in dem Heim verbringen. Nur Pietro und Eleonora Carducci waren bereit, mir eine Chance zu geben. Obwohl mir bis heute schleierhaft ist, warum sie sich ausgerechnet ein verkorkstes Straßenkind aufgehalst haben“, fügte er etwas leiser hinzu. „Aber ich bin ihnen für diesen Mut bis in alle Ewigkeit dankbar. Durch sie hat sich mein Leben für immer verändert.“
Libby nickte betroffen und dachte für einen Moment über den kleinen, misshandelten Jungen nach, der Raul einmal gewesen war. „Das Leben kann manchmal entsetzlich grausam sein“, murmelte sie. „Ganz besonders Kinder leiden unter einem so schweren Schicksal. Für Gino möchte ich etwas anderes als das, was wir beide erleben mussten.“
„Gemeinsam werden wir es bestimmt schaffen, ihm eine glückliche Kindheit zu bescheren“, versprach Raul. „Auch wenn sein Start ins Leben bereits von Schicksalsschlägen gezeichnet ist. Aber ist der Wunsch nach Sicherheit für den Kleinen tatsächlich der Grund, warum du meinen Antrag angenommen hast?“
Ihr wurde ganz flau im Magen, als Raul näher an sie heranrückte und eine Hand an ihr Gesicht legte. Seine dunklen Augen, die vor wenigen Stunden noch hasserfüllt geglüht hatten, strahlten jetzt eine Wärme aus, die Libby neue Hoffnung auf eine bessere Zukunft schenkte. Zärtlich legte sie eine Hand auf seine und presste sie fester an ihre Wange.
„Ich habe dich nicht geheiratet, um mir einen finanziellen Vorteil zu verschaffen, das schwöre ich“, antwortete sie energisch. „Ich will dein Geld nicht.“
Ein leises Lächeln umspielte seine schönen Lippen. „Was
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