Julia Extra Band 0330
eine fürsorgliche Person wie deine Mutter? Hast du darum die Lüge aufrechterhalten, Gino wäre dein leiblicher Sohn?“
„Natürlich.“ Verwirrt starrte sie ihn an. „Welchen anderen Grund sollte es denn geben?“
Raul zuckte mit den Schultern. Sein Gesicht sah in diesem Moment aus, als wäre es aus Stein gemeißelt: schön, aber gleichzeitig kalt und hart. Wo war der Mann geblieben, der ihr warmherzig die Treue geschworen und sie in sein Bett entführt hatte?
„Ich glaube, du wolltest mir weismachen, du wärst Ginos Mutter, damit du dir das Luxusleben in der Villa Giulietta sichern konntest. Und dein kleiner Halbbruder war deine Fahrkarte ins Paradies“, erwiderte er hart.
„Aber nein!“ Bestürzt über seine haltlosen Vorwürfe schüttelte sie den Kopf.
„Doch. Und da du wusstest, dass dein Aufenthalt hier nur bis zu Ginos Volljährigkeit geduldet werden würde, hast du bereitwillig einer Heirat zugestimmt. Denn als meine Ehefrau bist du ein Leben lang finanziell abgesichert.“
„Das ist nicht wahr“, protestierte Libby. „Wir haben diese Ehe gemeinsam beschlossen, damit Gino mit zwei Elternteilen aufwachsen kann.“
Sein Blick war vernichtend. „Erwartest du tatsächlich von mir, dass ich dir abnehme, das Geld meiner Familie hätte nichts mit deiner Entscheidung zu tun? Du hattest die einmalige Gelegenheit, einen Multimilliardär zu heiraten, und hast sie beim Schopfe gepackt.“
Ohne auf Libbys verletzten Gesichtsausdruck zu achten, drängte Raul sich an ihr vorbei zurück ins Haus. Wie hatte er nur ein zweites Mal in ein und dieselbe Falle tappen können? Dana und Libby waren aus dem gleichen Holz geschnitzt, und er konnte sich selbst nur noch als Vollidioten bezeichnen.
Drinnen zerrte er sich ein T-Shirt über den muskulösen Oberkörper, während Libby ihn mit bleicher Miene beobachtete.
„Ich dachte, meine erste Ehe wäre mit einem Jahr schon verdammt kurz gewesen. Aber zwölf Stunden? Das dürfte absoluter Rekord sein!“, höhnte er.
Trotz des enormen Schmerzes, der in ihr wütete, richtete Libby sich zu ihrer vollen Größe auf. „Was meinst du damit? Und wo willst du jetzt hin?“, fragte sie, als er an ihr vorbei auf die Tür zustürmte.
„Wir sehen uns vor Gericht wieder, cara !“
Die Panik schnürte ihr buchstäblich die Luft ab. „Du kannst nicht ernsthaft eine Scheidung in Erwägung ziehen! Was ist mit Gino? Seinetwegen haben wir überhaupt geheiratet, erinnerst du dich? Er sollte eine stabile Kindheit bekommen …“
„Und genau die werde ich ihm geben. Er wird zweifellos besser dran sein, wenn ihn keine Mutter großzieht, die durchtrieben und verlogen ist! Nach deinem Theater wird dir kein Gericht des Landes das Sorgerecht zusprechen.“
Mit unsicheren Schritten trat sie vor. „Raul, bitte!“
Doch er bedachte sie nur mit einem letzten vernichtenden Blick, bevor er auf den Flur hinaustrat und verschwand. Libby sackte auf die Knie und begann, bitterlich zu weinen. Dies war ihre Hochzeitsnacht, aber die Flitterwochen waren zu Ende, bevor sie überhaupt beginnen konnten.
Mit hastigen Schritten stürzte Raul durch das totenstille Haus und stürmte zur Haustür hinaus, um den Weg zum See einzuschlagen. Das tat er immer, wenn er allein sein musste. Irgendwo schrie eine Eule, und unter seinen Füßen knackten dünne Zweige.
Mit wenigen Handgriffen hatte er sein Boot vom Steg losgeknotet, war an Bord gesprungen und steuerte nun auf die Mitte des Sees zu. Kleine Wellen plätscherten an den Bug, und die Segel flatterten leicht im Wind. Raul konzentrierte sich darauf, das Boot in den Griff zu bekommen.
Libby war nicht Ginos Mutter. Sie hatte ihn hinters Licht geführt und einen kompletten Narren aus ihm gemacht. Seine Lippen wurden schmal vor Wut, wenn er nur daran dachte, wie leichtgläubig er gewesen war. Um sich zu beruhigen, sah er zu den unzähligen leuchtenden Sternen hinauf.
Natürlich hatte sie es wegen des Geldes getan. Auch Dana hatte ihn deshalb belogen und behauptet, sie wolle unbedingt Kinder haben. Aber im Gegensatz zu seiner Exfrau hatte Libby noch nie versucht, seine Kreditkarte bis zum Limit zu strapazieren. Im Gegenteil: Libby interessierte sich weder für teure Klamotten noch für Nachtclubs oder Partys.
Auch ihre Liebe zu Gino war nicht vorgespielt, daran zweifelte Raul keine Sekunde. Die Wohnsituation in Cornwall hatte ihm bewiesen, wie viele Opfer Libby zu bringen bereit war, um ihren Bruder bei sich behalten zu können. Dabei war sie eine
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