Julia Extra Band 0332
telefoniert, und das nur, um die Abflugzeit abzustimmen.
Also wählte sie seine Nummer. Den leichten Schauer, der ihr den Rücken hinunterlief, als sie seine sonore Stimme vernahm, versuchte sie zu ignorieren.
„Gianna!“
Er nannte ihren Namen, noch bevor sie sich gemeldet hatte. Offensichtlich hatte er ihre Nummer gespeichert. Dabei gab sie ihre Handynummer nur an für sie wichtige Geschäftsleute oder sehr gute Freunde. Aber eigentlich sollte sie das nicht wirklich wundern, schließlich besaß er die Macht und den Einfluss, an jede erdenkliche Information zu kommen.
„Ich bin bereit, am Mittwoch abzureisen.“ Sie gab sich kühl.
„Ich werde dich mit einem Wagen um sechs Uhr morgens vor deinem Apartmenthaus abholen.“
Sie erstarrte. „Ich ziehe es vor, ein Taxi zu nehmen und dich am Flughafen zu treffen.“
„Dein Wunsch nach Unabhängigkeit ist kaum zu überbieten. In diesem Fall jedoch ziemlich unsinnig, denn wir beide fahren schließlich in dieselbe Richtung.“ Kurze Pause. „Sechs Uhr, Gianna.“
Sie schluckte gerade noch den aufsteigenden Zorn hinunter, dann hörte sie das leise Klicken am anderen Ende der Leitung. Er hatte aufgelegt.
„Gibt es Probleme?“
Als sie Annalieses Stimme hörte, bezwang sie ihre Wut und deutete sogar ein Lächeln an. „Nein.“
Keine, mit denen sie nicht fertig würde, sagte sie sich im Stillen, als sie die Boutique gegen Mittag verließ. Jazz musste zur Tierpension gebracht und die Rezeption in ihrem Apartmentgebäude über ihre Abwesenheit informiert werden, und schließlich musste sie noch packen.
Irgendwann würde sie auch eine Kleinigkeit zu sich nehmen müssen. Und den Kühlschrank ausräumen.
Pack es einfach an.
Und mache dir nicht so viele Gedanken .
Erst spät ging sie zu Bett, stellte den Wecker und machte sich zum Schlafen fertig, um sich dann hin und her zu wälzen und müde im Morgengrauen wieder aufzuwachen. Das Letzte, woran sie sich erinnerte, war das grüne Leuchtzifferblatt der Digitaluhr, das zwei Uhr fünfzehn anzeigte.
Es war schon fast sechs, als sie im Aufzug nach unten fuhr, und es überraschte sie nicht, Raúl im Eingangsbereich des Gebäudes zu entdecken.
Er hatte eine ungeheuer erotische Ausstrahlung – was ihm ganz sicher bewusst war. Frauen jeden Alters flogen auf ihn … und machten ihm eindeutige Angebote, wohl um zu erfahren, ob sein Ruf als glänzender Liebhaber gerechtfertigt war. Nach Giannas Kenntnis pflegte er diese Angebote nicht anzunehmen – aber konnte sie sicher sein?
Auf seinen Geschäftsanzug hatte er heute verzichtet. Stattdessen trug er schwarze Hosen, eine schwarze Jacke aus butterweichem Leder und ein weißes Hemd mit offenem Kragen.
Zwei Wochen , sagte sie sich noch einmal. In dieser Zeit würde sie ihn kaum zu Gesicht bekommen. Wo war also das Problem?
„Guten Morgen!“ Ihre Stimme hatte einen rein sachlichen Ton, und eine Sekunde lang meinte sie in seinem Blick einen Anflug von Belustigung zu entdecken.
„Bist du bereit?“
Ja, und wild entschlossen, versicherte sie sich insgeheim und lächelte. „Klar.“
Allerdings war sie nicht schnell genug, als er nach ihrer Reisetasche griff. Ein Zittern durchlief sie, als seine Finger ihre kurz berührten, ehe sie die Hand wegzog.
So viel zum Thema Gelassenheit. Sie waren noch nicht einmal am Flughafen, geschweige denn in Spanien, und schon war sie das reinste Nervenbündel.
Na toll. Ein langer Flug lag vor ihr. Viele Stunden mit ihm … viel zu viele davon.
War ihm eigentlich bewusst, wie nervös er sie machte?
Ziemlich sicher, befand Gianna, als sie in den Fond des großen Wagens stieg, während er das Gepäck im Kofferraum verstaute.
Welche Themen schnitt man an, wenn man sich mit einem Exliebhaber unterhielt, der zufällig auch noch der eigene Ehemann war? Bald jedoch der Exehemann, dachte sie. Denn die Scheidung war nur noch eine reine Formsache.
Sollten sie über das Wetter reden? Über weltpolitische Zusammenhänge? Sie grübelte, während Raúl die Uferstraße am Ozean entlangfuhr.
Wie würde er wohl reagieren, wenn sie ihn rundheraus nach seiner selbstsüchtigen Exgeliebten ausfragte, Sierra Montefiore, die sich bei der ersten Krise in ihrer Ehe sofort auf Raúl gestürzt hatte?
Nicht gerade die beste Art, einen Tag zu beginnen, oder den Flug, oder die zwei Wochen auf Mallorca. Sachlich bleiben, das war die Devise.
Reiß dich zusammen , verordnete sich Gianna. Und das tat sie … mit höflichem Charme und entschiedener Haltung. Sie
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