Julia Extra Band 0332
spielte sogar Fremdenführerin und erklärte, welche Gebäude entlang der Gold Coast neu und welche weiteren Projekte in dieser rasch wachsenden Stadt geplant waren.
Derlei Konversation ließ die dreißig Minuten Fahrt zum Flughafen rasch verstreichen. Raúls privater Learjet wartete, und die Zollformalitäten waren schnell erledigt.
An Bord holte Gianna das neueste dicke Werk ihres Lieblingsautors hervor. „Fühl dich bitte nicht verpflichtet, mich zu unterhalten.“ Sie brachte sogar ein leichtes Lächeln zustande. „Ich bin vollauf zufrieden, wenn ich einfach mal nur lesen kann.“
„In ungefähr einer Stunde wird Frühstück serviert.“ Täuschte sie sich, oder spielte da ein spöttischer Zug um seine Lippen? „Du hast doch nichts dagegen, wenn ich ein wenig arbeite?“
Sie hielt seinem Blick stand. „Keineswegs.“
Raúl senkte den Kopf und wendete sich seinem Laptop zu, den er gerade ausgepackt hatte. Sofort fing er an, konzentriert zu arbeiten. Die Fähigkeit, sich ganz auf eine Sache zu konzentrieren, hatte er während seines Universitätsstudiums zur Perfektion gebracht. Hinzu kam ein nahezu fotografisches Gedächtnis, das ihm das Studieren sehr leicht gemacht hatte. Sein Studium hatte er mit hervorragenden Abschlüssen beendet und dann drei Jahre lang in New York gearbeitet, bevor er von seinem Vater in die Konzernleitung nach Madrid berufen wurde.
Nach dem Tod seines Vaters übernahm Raúl die Position des Vorstandsvorsitzenden und baute die Firma zu einem weltweit agierenden Konzern aus. Er hatte ein Vermögen verdient, das unter anderem in erstklassigen Innenstadtimmobilien in diversen Weltstädten und in Beteiligungen an Industrieholdings angelegt war.
Er hatte alles – besser gesagt beinahe alles. Eine Sache fehlte ihm, vielleicht die bedeutendste, fand er. Ihm fehlte die Liebe einer Frau … ihm fehlte Familie.
Nicht irgendeine Frau. Gianna war die seine gewesen, bis das Leben eine unangenehme Überraschung bereithielt und Gianna ihn verließ. Eine Scheidung war für ihn allerdings nicht infrage gekommen. Für sie offenbar auch nicht. Zumindest bis jetzt.
Als das Frühstück kam, entschied sich Gianna für Müsli, Obst und Kaffee.
Durch die Zeitverschiebung würden sie Madrid am Dienstag spätabends erreichen und dadurch fast einen vollen Tag gewinnen.
„Ist es nicht unangemessen, bei Teresa so spät in der Nacht aufzutauchen?“
Nachdenklich betrachtete er sie über seine Kaffeetasse hinweg. Dann leerte er sie in einem Zug und füllte nach. „Wir werden in meiner Wohnung übernachten, und am nächsten Tag nach Mallorca weiterfliegen.“
In seiner Wohnung? Für nichts in der Welt.
Ihre blauen Augen glitzerten feurig. „Ich werde mir ein Hotelzimmer nehmen.“
„Angst, Gianna?“
„Vor dir? Nein.“
„Wenn das so ist, brauchst du auch nichts dagegen haben.“
Klar, dachte sie. Wer’s glaubt wird selig .
Sie wendete sich wieder dem Buch zu und täuschte intensives Interesse daran vor. Die Handlung war vorhersehbar, aber sie war ein erklärter Fan des Autors und seiner Erzählweise. Trotzdem behielt sie keinen Satz. Raúls Anwesenheit lenkte sie einfach zu stark ab. Deshalb klappte sie nach einer Weile das Buch zu und verschaffte sich ein wenig Bewegung, indem sie den Jet in seiner gesamten Länge einige Male durchschritt.
Er hingegen schien sich kein bisschen gestört zu fühlen. Vielmehr widmete er sich während des gesamten Fluges über Stunden seiner Arbeit – als wäre es ein völlig normaler Bürotag.
Bemerkte er eigentlich, wer außer ihm noch mit an Bord war? Irgendwie ärgerte es sie, dass er so gleichgültig war. Und dabei sollte ihr das doch gerade recht sein.
Während die Zeit verrann und die Ankunft in Madrid immer näher rückte, fühlte sich Gianna immer nervöser und angespannter.
Es hatte etwas Surreales, nach langem Flug mitten in der Nacht aus einem Privatflugzeug zu steigen und zu entdecken, dass Raúls Fahrer Carlos in der Ankunftshalle auf sie wartete.
Wenig später hatten sie in Raúls großem Mercedes Platz genommen, ihr Gepäck war verstaut und der Wagen verließ das Flughafengelände.
Gianna lehnte sich nach vorn. „Könnten Sie mich bitte in ein Hotel bringen, Carlos?“
Sie fing den fragenden Blick des Fahrers im Rückspiegel auf. „Señor?“
„Zum Apartment“, konterte Raúl gelassen.
Sie warf ihm einen finsteren Blick zu. „Ich möchte aber in ein Hotel“, gab sie mit ruhiger Entschiedenheit zurück.
„In dem Apartment gibt
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