Julia Extra Band 0332
teuren Internat gelandet.
Adam hatte es geglaubt, weil er es hatte glauben wollen. Es erklärte, warum sie ihn nicht anrief oder ihm wenigstens schrieb. Als hätte sie das vom Internat aus nicht erledigen können!
Schließlich hatte er ein Foto von ihr im Lokalblatt gesehen, das sie an der Seite ihres Großvaters auf einem Wohltätigkeitsball zeigte, schrecklich aufgedonnert – wie Adam fand –, und umgeben von den Muttersöhnchen der High Society von Maybridge.
Und sie hat damals mich aufgegeben, erkannte Adam jetzt erst. Um Saffy vor den mindestens drei Monaten Gefängnis zu bewahren, die sie als Strafe für ihr Vergehen vor Gericht kassiert hätte.
Außerdem hatte May ihre eigene Freiheit – das Recht, über ihr Leben selbst zu bestimmen –, seiner Schwester geopfert!
Und auch ihm, wie ihm nun klar wurde.
Er hatte ein Stipendium der Universität in der Nachbarstadt Melchester angeboten bekommen, das er akzeptierte. Man hatte ihm zwar geraten, sich auch in Oxford zu bewerben, aber das hatte er nicht gewollt. Er musste in der Nähe bleiben, um sich um Mutter und Schwester kümmern zu können.
James Coleridge hätte ihm, mit einem Wort ins richtige Ohr, die Studienchance verderben können.
Warum hat May mir das damals nicht gesagt? fragte Adam sich nun.
Die Antwort war naheliegend: James Coleridge hatte ihr das verboten. Deshalb hatte sie nur stumm auf ihn heruntergeschaut, als er, Adam, mit dem Rosenstrauß unter ihrem Fenster gestanden und ihren Namen gerufen hatte. Bis ihr Großvater den Wasserstrahl auf ihn richtete, und die Blätter der Rosen wie Blutstropfen durch die Gegend spritzten …
Adam stöhnte leise, als ihm einfiel, dass er erst vor Kurzem ein getrocknetes Rosenblatt in Mays Ausgabe von Shakespeares Sonetten gefunden hatte – die zu den schönstens Liebesgedichten aller Zeiten zählten …
Er setzte sich, warum wusste er selbst nicht, auf den Boden vors Bett und vergrub den Kopf in den Händen.
Wie konnte ich nur so dumm sein? fragte er sich verzweifelt. May hatte damals nicht aufgehört, ihn zu lieben. Sie hatte ihm sogar ihr eigenes Glück geopfert.
Wenn er doch nur bei diesem Empfang, auf dem sich ihre Wege einige Jahre später wieder gekreuzt hatten, auf May zugegangen und ihr die Hand geschüttelt hätte wie einer alten Freundin – die sie ja war! Da hätte sie bestimmt nicht lange kühl reagiert.
Doch er war zu stolz gewesen, den ersten Schritt zu tun. May offensichtlich auch.
Aber es ließ sich wiedergutmachen. Er würde mit ihr reden und ihr alles erklären, jetzt gleich!
May war gerade eingeschlafen, als das Klingeln des Telefons sie wieder weckte.
„Ja, was ist?“, fragte sie, wie benommen.
„May, ich …“
„Adam! Ist etwas passiert?“
„Ja … Nein. Ich muss nur unbedingt …“
Im Telefon hörte sie ein eigenartiges Grollen „Was war das denn?“, fragte sie alarmiert.
„Donner“, antwortete Adam gelassen. „Hier gibt es dauernd Gewitter. Bist du jetzt richtig wach?“
„Ja.“ Sie setzte sich auf. „Was gibt es denn so Dringendes?“
„Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen … verdammt. Das Licht ist ausgegangen. Offensichtlich ein Stromausfall. Das passiert hier auch öfter, aber …“
Wieder hörte sie seltsame, beunruhigende Geräusche: Schreien und Hämmern irgendwo im Adams Hotel.
„Adam! Was ist denn da bloß los?“, rief sie.
„Warte, da klopft irgendein Idiot gerade wie wild an meine Tür. Bleib dran! Ich muss dir dann etwas wirklich Wichtiges …“
Was immer er hatte sagen wollen, wurde vom Krachen einer Explosion übertönt.
Dann herrschte Stille. Die Leitung war tot.
Im Morgengrauen kam Robbie ins Wohnzimmer und fand May, die blass wie ein Gespenst war, vor dem Fernseher sitzen. Im Nachrichtensender wurde nur ein Thema behandelt: der versuchte Staatsstreich in Samindera, über den man allerdings noch nichts Genaues wusste. Man zeigte Bilder des Präsidentenpalastes, brennende Hotels, von Raketen zerstörte Häuser.
Wie viele Opfer zu beklagen waren, vor allem unter den Ausländern, konnte niemand sagen. Die heftigen Kämpfe dauerten noch an, die Telefonleitungen waren gekappt, das Fernsehgebäude war in der Hand der Rebellen.
Robbie legte May eine Decke um die Schultern, kochte ihr Tee und ließ sie ansonsten in Ruhe. Es gab nichts, was sie zum Trost hätte sagen können.
Jake schaute auf dem Weg in die Firma – wo eine Krisensitzung einberufen worden war – kurz vorbei und versprach May, sie auf dem Laufenden zu
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