Julia Extra Band 0332
Saffy meine Beschützerin war. Sie brachte mich über den Schulhof, blieb in den Pausen und beim Essen bei mir, so lange, bis alle kapierten, sie würden es mit ihr zu tun bekommen, wenn sie mich nicht in Ruhe ließen.“
„Deswegen war sie sich so sicher, dass du Nancie zu dir nehmen würdest?“, fragte Adam. „Weil du ihr noch Dank geschuldet hast?“
„Nein, den habe ich schon längst abgestattet“, antwortete May, und ermahnte sich sofort, aufzupassen, was sie sagte. So müde, wie sie war, plauderte sie sonst womöglich noch alle möglichen Geheimnisse aus. „Aber das ist eine ganz andere Geschichte. Und nun erzähl mir von deinem Tag“, bat sie. „Heute gab es irgendetwas in den Nachrichten über Samindera, aber ich war abgelenkt und habe nicht richtig zugehört.“
„Was denkst du denn? Wenn ich mit dem Präsidenten esse, ist das doch eine Nachricht wert“, scherzte er.
„Es ist also alles in Ordnung?“, hakte sie leicht beunruhigt nach.
Samindera war berüchtigt für die vielen Staatsstreiche und Militärputsche.
„Ja, May, du brauchst dir keine Gedanken zu machen“, versicherte Adam ihr.
„Dann ist es ja gut. Und jetzt erzähl mir Einzelheiten vom Galadinner.“
Er tat ihr den Gefallen. Als er merkte, wie schläfrig sie klang, meinte er, sie müsse jetzt schlafen.
„Wann kommst du zurück? In drei Tagen?“ Er war nun schon fast zwei Wochen fort, und ihr kam es wie eine kleine Ewigkeit vor.
„Ja. Dann will ich unbedingt mit Saffy und Claude sprechen.“
„Oh! Die beiden wollten morgen eventuell mit Nancie nach Frankreich zurück, Adam.“
„Dann wink mit meiner Kreditkarte und lade Saffy zu einer Shoppingtour ein“, empfahl Adam ihr. „Der Trick müsste funktionieren.“
„Ja? Ich war schon mehrmals mit ihr einkaufen“, gestand May. „Und ich weiß nicht, ob sie mehr an meiner oder ihrer eigenen Aussteuer interessiert ist.“
„Ich hoffe, du hast dir auch etwas Schönes gegönnt!“
„Aber sicher. Saffy hat in der Hinsicht einen schlechten Einfluss auf mich.“
Er lachte. „Das klingt vielversprechend.“
Wenn er nur wüsste! dachte May und lächelte versonnen. Sie hatte sich ein Paar wahnsinnig sexy High Heels gekauft, und in einer Dessousboutique war sie geradezu zügellos gewesen.
Obwohl Adam ihr klargemacht hatte, dass die Ehe nur auf dem Papier bestehen würde …
Trotzdem wollte sie sich bei der Trauung sexy fühlen. Und größer aussehen mithilfe der hochhackigen Schuhe. So viel Vergnügen durfte sein, oder?
„Wie auch immer, May, mach ihr jedenfalls klar, dass ich mit ihr reden möchte. Und mit meiner Mutter. Ich möchte einiges wiedergutmachen.“
„Keine Sorge Adam, du wirst die beiden auf jeden Fall bei unserer Hochzeit treffen. Ich habe deine Mutter und Saffy nämlich dazu eingeladen“, verkündete May stolz.
Am anderen Ende herrschte einen Moment lang Stille.
Dann sagte Adam gespielt flehend: „Lass uns durchbrennen, Supermaus. Bitte!“
Adam saß auf der Bettkante, im Ohr noch den Klang von Mays fröhlichem Lachen über seinen absurden Vorschlag. Er stellte sich vor, wie sie sich jetzt in ihr Bett kuschelte, schon beinah eingeschlafen.
Ja, sie musste sehr müde sein, weil sie beinah verraten hätte, wie sie Saffy die Dankesschuld abgegolten hatte.
Das hatte sie immer zu verheimlichen versucht. Aber er wusste Bescheid. Zumindest in groben Zügen.
Saffy war als Jugendliche öfter in Schwierigkeiten geraten, wegen Ladendiebstahls und weil sie als Minderjährige Alkohol getrunken hatte, aber ihr letzter „Streich“ war wirklich schwerwiegend, um nicht zu sagen strafbar gewesen.
Wenige Tage vor der schicksalsträchtigen Schulparty war sie bei der Razzia in einem Club mit Ecstasy in der Handtasche erwischt worden. Sie behauptete, das Zeug für Freunde besorgt zu haben, die ihr das Geld dafür gegeben hätten. Das galt in den Augen der Behörden bereits als Drogenhandel.
Als Adam das herausfand, wurde er fast rasend über so viel Dummheit. Saffy hat nur die Schultern gezuckt und gesagt, es wäre alles geregelt. Tatsächlich war sie zwei Wochen später bei der Vorladung zur Polizei mit einer Verwarnung davongekommen.
Und das war Mays Werk gewesen. Sie hatte sich bei ihrem Großvater für Saffy eingesetzt, und der hatte sich, so wie Adam ihn einschätzte, seinen Großmut teuer bezahlen lassen.
Was hatte er gefordert? Was hatte sie geopfert?
Zum einen die Schule. Sie war nicht mehr zum Unterricht gekommen, und es hieß, sie wäre auf einem
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