Julia Extra Band 0332
schnell wie möglich einzureichen.
„Ich glaube, du solltest dieses nehmen.“
Der Klang von Raúls Stimme, gefolgt von den zustimmenden Worten der Verkäuferin, brachte sie schlagartig in die Wirklichkeit zurück. Beim Anblick eines exklusiven saphirblauen Abendkleids aus Seidenchiffon bekam sie große Augen.
Sie mochte es ungern eingestehen … doch das Kleid war perfekt.
„Glücklicherweise ist es exakt die Größe, die die junge Dame braucht.“
„Meine Frau“, korrigierte Raúl. Gianna wollte schon protestieren, doch er legte zwei Finger auf ihre Lippen. „Du kannst mir später danken, querida. “
Liebste? Dieses Wort gehörte zu einer anderen Zeit und hatte jetzt seine Gültigkeit verloren.
Sie war versucht, ihm in den Finger zu beißen, und es kostete sie große Anstrengung, es nicht zu tun. Sie war sich sicher, dass er das ahnte.
„Wir brauchen auch noch Schuhe dazu“, erklärte Raúl.
Als sie dann das Kleid überstreifte, in hochhackige Stilettos schlüpfte, die die Verkäuferin gebracht hatte, und sich im Spiegel sah, musste sie zugeben, dass beide, Raúl und die Verkäuferin, den Nagel auf den Kopf getroffen hatten.
Ihr Lächeln sprach Bände. „Danke!“
„Ihr Gatte hat einen sehr guten Geschmack“, sagte die Verkäuferin und klatschte in die Hände. „Ihre Frisur, señora … darf ich Ihnen einen Vorschlag machen? Sie haben so einen hübschen, schmalen Hals, dass es vielleicht vorteilhafter wäre, das Haar hochzustecken. Diamant-Ohrringe würden gut zur Geltung kommen …“ Sie war ganz begeistert. „… eine schmale passende Halskette … nicht zu viel, um dem Kleid nicht die Show zu stehlen, comprende?“ Sie stellte sich hinter Gianna und öffnete den Reißverschluss. „Ich werde die Sachen für Sie einpacken, während Sie sich umkleiden, si ?“
Das Umziehen nahm nur wenige Minuten in Anspruch. Als sie aus der Kabine trat bekam sie gerade noch mit, wie Raúl seine Kreditkarte zückte. Sie drängte zur Verkaufstheke.
„Ich zahle für die Einkäufe.“
Die Verkäuferin hielt inne und warf Raúl einen fragenden Blick zu. „Señor?“
„Meine Frau hat einen bemerkenswerten Hang zur Unabhängigkeit“, erklärte er, „doch in diesem Fall …“
„Wie Sie wünschen.“
„Ich würde es trotzdem vorziehen …“ Gianna kam ins Schwanken, als Raúl ihren Mund mit einem sanften Kuss verschloss, der ihr den Atem raubte.
„Nein!“ Vergeblich versuchte sie zu protestieren.
Die Atmosphäre zwischen ihnen hatte sich so sehr aufgeladen, dass Gianna ein paar Herzschläge lang alles um sich herum vergaß.
„Ihre Einkäufe, señor .“
Die Stimme der Verkäuferin holte Gianna in die Realität zurück. Sie schüttelte den Kopf als ob sie ihm plötzlich zustimme. „Männer“, sagte sie mit einem leicht gequälten Lächeln, „haben immer die Spendierhosen an.“
„O señora “, schalt die Verkäuferin scherzhaft. „Welche Frau würde solch einen Mann nicht schätzen?“
Gianna lächelte zum Abschied noch einmal.
Doch sobald sie die Boutique verlassen hatten und außer Hörweite waren, fragte sie: „Welcher Teufel hat dich da drin geritten?“
„Was meinst du?“
„Spiel kein Spielchen mit mir. Du weißt sehr genau, was ich meine.“
„Du ärgerst dich, dass ich das Kleid gekauft habe?“
Er erntete umgehend einen unheilvollen Blick. „Einen Versuch hast du noch frei.“
„Du hast etwas dagegen einzuwenden, dass ich dich geküsst habe?“
„Zum einen“, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, „und zum anderen, dass du mich als deine Frau vorgestellt hast.“
„ Querida “, erinnerte er sie sanft, „du bist meine Frau.“
Nicht mehr lange. Fast hätte sie es laut ausgesprochen.
„Trinken wir noch einen Kaffee zusammen?“ Raúl wies auf die Hotellounge. „Wäre eine gute Übung für den heutigen Abend.“
Ihr Herz tat auf einmal weh, ganz tief drinnen. Bei solchen Gelegenheiten hatte sie Raúl früher zuerst als seine Freundin, später als seine Frau begleitet. Sie waren so glücklich gewesen … waren so innig verbunden gewesen … bis alles aufs Schrecklichste schieflief.
Genug. Jene Unglücksszene war so häufig vor ihrem geistigen Auge erschienen, dass sie jedes Wort, das Sierra ausgestoßen hatte, auswendig wusste. Es war wie ein schlechter Film mit schlechten Schauspielern ohne Happy End.
Nun ging sie ihren Weg allein – und das erfolgreich. Diese zweiwöchige Reise würde sie doch wohl auch noch ohne große Blessuren
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