Julia Extra Band 0332
Raúls Seite posiert, während in ihrem Inneren der Schmerz tobte?
6. KAPITEL
„Nervös?“
Im Foyer neben dem Ballsaal waren zahlreiche geladene Gäste versammelt. Sie standen in kleinen Gruppen beisammen, und livrierte Kellner boten die verschiedensten Getränke und Kanapees an.
Gianna führte die schlanke Champagnerflöte an den Mund und nahm einen kleinen Schluck. „Habe ich denn Grund, nervös zu sein?“
Raúls dunkle Augen durchbohrten sie. „Nein.“
Er sah unglaublich gut aus in seinem taillierten schwarzen Abendanzug und dem weißen Hemd mit schwarzer Fliege. Sein dunkler Teint, das starke Kinn, die sensible Mundpartie und Augen, schwarz wie die Sünde. Eher wild als hübsch. Eher kraftvoll als feinfühlig. Sie hatte ihn einmal bei einer Verhandlung in Aktion gesehen … rücksichtslos und nur auf eigenen Vorteil bedacht.
Was die Frage aufbrachte, warum er – nachdem sie ihm einen Korb gegeben hatte – nicht selbst die Scheidung eingereicht hatte. Es sei denn, er wollte weiter als verheiratet gelten.
Doch weshalb? Bald jedoch schob sie den Gedanken beiseite. Es wurde zu kompliziert, zumindest für den Moment.
„Raúl!“ Eine tiefe Stimme mit schwerem Akzent begrüßte ihn. „Schön, dich zu sehen.“
Gianna wandte sich um. Sie sah einen Mann in Raúls Alter, mit markanten Zügen und stechendem Blick.
„Rafael.“ Raúls formeller Ton legte die Vermutung nahe, dass es sich eher um einen Geschäftskontakt als um einen Freund handelte. Außerdem sah sie, wie der Ausdruck in Raúls Augen ein wenig unfreundlicher wurde, als der Fremde sich ihr zuwandte.
„Möchtest du mich nicht vorstellen?“
Sie kannte diesen Typ Mann – clever, mit einem Hang zum Playboy, seiner Wirkung auf Frauen sicher, stets bereit, mit dem Verführungsspiel zu beginnen.
„Nein.“
Rafaels Augen funkelten vor Ironie. „Dann ist sie etwas Besonderes, wie?“ Er warf Gianna einen eindringlichen Blick zu. „Kann ich sehr gut verstehen.“ Die Wärme, die in seinem Lächeln lag, hätte Eis zum Schmelzen gebracht. „Dann nennen Sie mir doch wenigstens Ihren Namen, bitte.“
Seine Art war so direkt, dass sie beinahe gelacht hätte. „Gianna.“
„Velez-Saldaña“, fügte Raúl amtlich und unmissverständlich hinzu.
„Eine nahe Verwandte?“
„Meine Frau.“
„Ah.“ Rafael nickte mit einem schiefen Lächeln. „Es überrascht mich nicht, dass du sie so gut bewachst.“
„Allerdings.“
Rafael lachte verhalten. „Ich glaube, ich ziehe ein Häuschen weiter.“
Raúl neigte zum Abschied nur den Kopf.
Gianna wartete einige Sekunden, bevor sie fragte: „Musst du dich immer noch wie ein besitzergreifender Idiot benehmen?“
Einen Moment lang dachte sie, er würde lachen.
„Die meisten Männer passen auf ihre Frauen auf.“
„Einspruch. Ich bin nicht länger deine Frau .“
„Nicht?“
Sie hatte keine Erklärung dafür, warum die Luft zwischen ihnen plötzlich zu knistern schien. Ebenso wenig konnte sie sich erklären, warum ihr Puls mit einem Mal wild hämmerte und viel zu schnell schlug.
Das Hotel, die Gäste, selbst der Grund , warum sie hier war, verblassten und es gab jetzt nur noch ihn.
Er machte keinen Versuch, sie zu berühren. Und sie war froh darum, weil sie für einen langen Moment jegliches Gefühl für die Realität verlor und stattdessen in einem Meer leidenschaftlicher Erinnerungen schwamm.
Die lauter werdende Geräuschkulisse riss sie aus ihren Gedanken und brachte sie in die Wirklichkeit zurück. Die Gäste begannen, sich in den Ballsaal zu bewegen.
Ihre Saalkarten wurden kontrolliert und Plätze wurden ihnen zugewiesen. Gianna war erleichtert, als sie zwei Paare entdeckte, die an ihren Tisch geleitet wurden.
Nette Gesellschaft, ausgezeichnetes Essen und interessante Konversation ließen diese Veranstaltung zu einem reizenden Abend werden. Auf der Bühne traten Comedians auf und ein Magier mit einer hübschen Assistentin. Die üblichen Reden wurden gehalten, in denen es um die Ziele und bisherigen Erfolge der Wohltätigkeitsorganisation ging und zu deren Ende die Gäste schließlich zu großzügigen Spenden aufgefordert wurden.
Gianna fühlte sich an zahlreiche solche Veranstaltungen erinnert, die sie früher immer gemeinsam mit Raúl besucht hatte. An solchen Abenden hatte sie gestrahlt und entspannt Konversation gemacht, in der Gewissheit, dass der Mann an ihrer Seite zu ihr gehörte, ebenso wie sie zu ihm.
Dass sie nach so langer Zeit nun heute mit Raúl hier erschien,
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