Julia Extra Band 0332
vor langer Zeit eine Süßwarenfabrik. Eine Zeit lang lief es sehr gut. Dann wurden die Zutaten teurer und wir konnten mit den großen Betrieben nicht mithalten. Als mein Vater den Betrieb vor zehn Jahren übernahm, bot ein Mischkonzern an, Linden-Süßwaren zu kaufen. Das Angebot hätte uns reich gemacht, aber mein Vater wusste, dass sie den Betrieb verlagern würden, sodass viele aus unserer Stadt keine Arbeit mehr hätten. Zum Wohle seiner Angestellten hat er das Angebot deshalb abgelehnt.“
„Das war dumm von ihm.“
„Nein“, entgegnete sie. „Es war nobel von ihm. Und mutig. Er sagte, entweder würden sie zusammen untergehen, oder er würde einen Weg finden, wie er den Betrieb wieder zum Erfolg führen könnte.“
„Und was ist passiert?“
Sie sah auf ihre Hände, die gefaltet im Schoß lagen. „Obwohl er alles gegeben hat, ist die Firma bankrottgegangen.“
Alexandros nickte knapp. „Er hätte nicht zulassen dürfen, dass sein Gefühle seinen Geschäftssinn überlagern.“
„Er wollte seine Angestellten schützen.“
„Aber das hat er nicht. Er hat versagt. Und schlimmer noch – er hat dich hängen lassen. Hätte er den Betrieb verkauft, müsstest du nicht mit neunundzwanzig noch arbeiten, um dein Studium zu finanzieren.“
Finster sah sie ihn an. „Mein Vater hat richtig gehandelt. Er hat an seinen Prinzipien festgehalten. Ich dachte, gerade du wüsstest das zu schätzen.“
„Gerade ich ziehe es vor, der Realität ins Auge zu sehen. Der Betrieb war ein Geschäft, keine Wohltätigkeitsorganisation.“
„Du klingst so hart.“
„So läuft es nun mal“, erklärte er. „Die Unternehmen, die früher einmal Erfolg hatten, sterben und machen neuen Firmen Platz.“
„So muss es aber nicht sein. Eines Tages werde ich den Betrieb wieder eröffnen. Ich habe schon einen Geschäftsplan erstellt und …“
„Vergiss es“, sagte er mit brutaler Offenheit. „Du solltest dich damit abfinden, dass es vorbei ist, und etwas anderes machen.“
Zitternd wandte sie den Blick ab. „Das sagst du so leicht. Du zerschlägst Firmen, aber du weißt nicht, wie man sie wirklich führt und mit Herz und Seele dabei ist.“
„Stimmt“, entgegnete er. „Und ich würde es auch nicht wollen. Schließlich geht es ums Geschäft, da haben persönliche Dinge keinen Platz.“
„Für dich ist nie etwas persönlich, nicht wahr?“ Sie stand auf. „Tut mir leid für dich.“
Hätte jemand anders ihm das gesagt, hätte er den Einwand mit einem Achselzucken abgeschüttelt. Aber Rose war der einzige Mensch, dessen Verärgerung er nicht ertragen konnte.
Er griff nach ihrer Hand. „Entschuldige“, sagte er weich. „Ich wollte nicht mit dir streiten.“
Ihre Züge entspannten sich. „Ich auch nicht. Aber wenn du nur verstehen würdest, dass es viel befriedigender ist, etwas von Wert zu schaffen …“
„Nein“, fiel er ihr ins Wort. „Selbst wenn ich könnte, würde ich es nicht tun. Es wäre nur Verschwendung von Energie und Geld.“ Er stand auf. „Möchtest du ausgehen? Unten im Ort wird Musik gemacht. Wir könnten tanzen.“
„Ausgehen?“, fragte sie verwundert. „Hast du keine Angst, dass ich dann zur Polizei gehen könnte?“
„Wenn du versprichst, es nicht zu tun, vertraue ich dir.“
„Ich verspreche es“, sagte sie schlicht. „Schließlich will ich Laetitia jetzt auch helfen … und dir.“
Alexandros betrachtete ihr wunderschönes Gesicht. Er hatte sie gekidnappt, verführt, ihr die Antworten auf ihre Fragen verweigert. Und trotzdem wollte sie ihm helfen. Rose war die liebevollste Frau, die er je getroffen hatte.
„Hat es dir nichts ausgemacht, dass wir so viel gereist sind?“, fragte er.
„Aber nein. Es war wunderschön, etwas von der Welt zu sehen. Bisher bin ich doch kaum von zu Hause weggekommen.“
„Das könnte ich mir nicht vorstellen.“ Er schluckte. „Ein Zuhause zu haben, von dem ich nicht weg will.“
„Hattest du nie ein Zuhause?“
Ihr bedauernder Blick gefiel ihm nicht. „Ich brauchte keins.“ Er sah zu ihr hinunter. Aber du schaffst es, dass ich mich überall zu Hause fühle, dachte er. Laut sagte er: „Ich habe unsere gemeinsame Zeit auch genossen.“
„Zu Anfang war ich mir nicht einmal sicher, ob du mich überhaupt magst“, meinte sie neckend, als er sie zu seinem Leihwagen führte. „Weil du es mir überlassen hast, ob wir uns überhaupt küssen …“
Er hielt ihr die Tür auf. „Ich wusste immer, dass ich dich ins Bett kriegen
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