Julia Extra Band 0339
ihren völlig unpassenden Wunsch, Nates warmen Atem wie eine sanfte, erregende Brise in ihrem Nacken zu spüren.
„Ich halte nichts davon, vor Kindern zu fluchen“, berichtigte sie ihn in gouvernantenhaftem Tonfall. „In Notlagen und unter Erwachsenen dagegen ist es mitunter durchaus vertretbar.“
Angesichts seines unverschämten Grinsens wünschte Morgan, sie hätte sich geschickter ausgedrückt. Unter Erwachsenen geschahen Dinge, die weitaus aufregender waren als Fluchen, und der Umstand, dass sie ausgerechnet diese Formulierung gewählt hatte, zeugte davon, wie sehr sein unerwartetes Auftauchen sie aus der Bahn geworfen hatte.
„Was war das eben für ein krachendes Geräusch?“, erkundigte er sich mit einem neugierigen Blick über ihre Schulter.
„Nichts“, behauptete Morgan. Es war das erste Weihnachten, das sie allein feierte. Sie hatte noch nie einen Baum aufgestellt, und ihre bisherigen Versuche, diese Aufgabe zu bewältigen, stellten die frustrierendste Erfahrung ihres bisherigen Singledaseins dar. Sie versuchte auch gar nicht, es zu leugnen, da Amelia Ainsworthy überzeugend dargelegt hatte, dass solche Anstrengungen charakterbildend waren.
„Sieht aus, als wäre Ihr Baum umgefallen.“
Seine Stimme klang nicht sanft, oder? Na ja, vielleicht ein bisschen, aber welche Rolle spielte das schon?
„Ich habe ihn dort abgelegt“, behauptete sie. „Er ist sehr groß, und da ist es doch viel praktischer, die Lichterkette vor dem Aufstellen anzubringen.“
„Haben Sie diese Entscheidung getroffen, bevor oder nachdem sie ihn abgelegt haben?“
Morgan beschloss, die Frage lässig zu übergehen. Was hätte sie auch sonst tun sollen? Ihm etwa brühwarm erzählen, was sie selbst sich kaum einzugestehen wagte?
Sie wünschte sich einen Mann, der das System dieser hochkomplizierten Lichterkette durchschaute und sich mit Christbaumständern auskannte. Einen großen, starken Mann, der die unteren Äste absägte, das sperrige Monstrum ins Wohnzimmer trug und den Stern an der Spitze anbrachte.
Jawohl, genau das wünschte sie sich! Und das war schon schlimm genug, auch ohne dass sie Nate Hathoway ihre erbärmliche Charakterschwäche auf die Nase band.
Sie würde ihn umgehend wieder wegschicken.
„Soll ich Ihnen mit dem Baum helfen?“
„Nein“, stieß Morgan hastig hervor, bevor das inbrünstige JA, JA, JA! in ihr sich seinen Weg durch ihre Kehle bahnen und Verrat an ihr üben konnte.
„Ich habe die Leiste für die Kleiderhaken dabei und wollte sie gleich anmontieren. Danach könnte ich den Baum für Sie aufstellen, wenn Sie wollen.“
Erst jetzt nahm Morgan das zum Weinen schöne Gebilde wahr, das Nate in der Hand hielt. Es bestand aus honigfarbenem Holz mit einer ausdrucksvollen Maserung, und die Oberfläche schimmerte wie Seide.
Okay, sie würde ihn wegschicken, nachdem er die Leiste angebracht hatte. Möglicherweise würde sie ihm noch erlauben, den Baum aufzustellen, aber dann war endgültig Schluss.
Beinah andächtig berührte sie das Brett. „Ich hätte nie erwartet, dass es so schön werden würde.“
„Das Holz stammt von einer Scheune, die einhundertzehn Jahre alt war und im letzten Jahr abgerissen wurde.“ Nates Finger strichen ebenfalls über die Leiste. „Solide Eiche und noch immer so stark und schön wie an dem Tag, als der Baum gefällt wurde.“
Wieder spürte Morgan etwas an Nate, das sie tief berührte. Bei seiner Arbeit schien es stets um Dauerhaftigkeit zu gehen, was in einer Welt, in der beinah alles als Wegwerfgegenstand betrachtet wurde, etwas sehr Anziehendes hatte.
Eine Beziehung mit ihm wäre sicher genauso solide, ging es ihr unwillkürlich durch den Kopf. Entweder ganz oder gar nicht.
Im Zusammenhang mit ihm darfst du an Beziehungen nicht einmal denken! zeterte die unabhängige Frau in ihr, aber die Warnung kam zu spät. Der Zug war bereits abgefahren.
„Wo ist Cecilia?“, erkundigte Morgan sich beiläufig.
„Die Westons haben sie zur Santa-Claus-Parade mitgenommen, und anschließend schläft sie bei ihnen. Ace war vor Begeisterung ganz aus dem Häuschen.“
Als Morgan die Tür schloss, sah sie den verunsicherten Ausdruck, der in einem unbewachten Moment über Nates Gesicht huschte.
„Sie anscheinend weniger“, stellte sie trocken fest.
Er schüttelte langsam den Kopf. „Irgendwie verstehe ich den Sinn von diesen Übernachtungsbesuchen nicht. Schlittschuhlaufen oder ins Kino gehen sind Aktivitäten, aber was soll es bringen, in anderer Leute Betten
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