Julia Extra Band 0339
er angespannt. „Ich habe eine Karte für Sie.“
Nate sah ihn an, als wäre ihm gerade ein Geist erschienen.
„Bitte beeilen Sie sich“, drängte Wesley. „Wir dürfen uns wegen der Live-Übertragung nicht verspäten.“ Er fuhr sich nervös durch das schüttere Haar und fügte bekümmert hinzu: „Ich weiß wirklich nicht, wieso ich mich schon wieder darauf eingelassen habe. Ich hasse Live-Übertragungen.“
Nate fragte sich, was in drei Teufels Namen ihn veranlasst haben könnte, die ganze Welt warten zu lassen, um ihn zu überreden, in seine Vorstellung zu kommen. Sein zweiter Gedanke war, dass es nicht richtig wäre, die Welt länger als nötig auf diese herrliche Stimme warten zu lassen. Also griff er seufzend nach seiner Lederjacke und folgte Wesley zu der wartenden Limousine am Ende der Auffahrt.
„Ich muss Ihnen ein Geständnis machen“, eröffnete Wesley Nate, kaum dass sie im Wagen saßen. „Es ist mir sehr peinlich, es zuzugeben, aber ich habe im Zuschauerraum gesessen, als Sie die Auseinandersetzung mit Ihrer Tochter hatten. Das tue ich häufig vor einer Vorstellung, um mich auf den Abend einzustimmen, nur ist es in diesem Fall leider dazu gekommen, dass ich Zeuge eines sehr privaten Moments geworden bin.“
„Oh …“ Nate rieb sich betreten das Kinn. „Ich denke, in Anbetracht dessen, was Sie gehört haben, wäre es wohl eher an mir, peinlich berührt zu sein.“
„Zumindest sollten Sie die Peinlichkeit mit mir teilen, Mr Hathoway“, meinte Wesley mit sanftem Tadel in der Stimme. „Wie konnten Sie ihrer Tochter nur sagen, dass es keine Wunder gibt, wo sie doch jeden Tag geschehen?“
„Bei allem Respekt, Mr Wellhaven, aber das tun sie nicht.“
„Wirklich nicht?“ Er lächelte fein. „Dann erklären Sie mir doch bitte, warum ein kleiner, unscheinbarer Mann wie ich mit einer solchen Stimme beschenkt wurde.“
Bevor Nate darauf antworten konnte, fuhr die Limousine vor der Schule vor. Wesley drückte Nate die Eintrittskarte in die Hand und bat den Chauffeur, der ihm dienstbeflissen die Tür aufhielt, noch um einen Moment Geduld. „Genießen Sie die Vorstellung, Mr Hathoway, und haben Sie Vertrauen“, sagte er. „Ihre Tochter wird ihren Weg in der Welt machen, da bin ich ganz sicher. Sie dürfen sie nur nicht daran hindern, an Wunder zu glauben.“
Natürlich hatten alle schon ihre Plätze eingenommen, sodass zweihundertachtundneunzig Augenpaare auf Nate gerichtet waren, als er sich zu dem einzigen leeren Platz im Saal durchkämpfte. Und natürlich saß sie genau daneben.
Sie bedachte ihn mit ihrem schnippischsten Blick, und als er sich mit einem erleichterten Seufzer auf seinen Sitz fallen ließ, legte sie mit einem strengen „Psst“ den Finger an die missbilligend geschürzten Lippen.
Nates Herz hämmerte wie ein Presslufthammer, als ihm ein Hauch ihres unverwechselbaren Dufts entgegenwehte. Lieber hätte er sich einer chinesischen Wasserfolter unterzogen, als der Frau, die seiner Überzeugung nach nie in seine Welt passen würde, so nah zu sein. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr.
Als die Saalbeleuchtung ausging und der Kinderchor auf die Bühne marschierte, sah Nate auf den ersten Blick, dass Ace nicht dabei war. Ein beklommenes Gefühl breitete sich in ihm aus, doch dann öffnete sich der Vorhang einen winzigen Spalt, und er sah, wie seine Tochter zuerst ins Publikum und dann zum Chor hinüberspähte.
„Was tut sie dort?“, flüsterte Morgan, nun gar nicht mehr schnippisch.
„Ich habe nicht die leiseste Ahnung“, flüsterte Nate zurück.
Der Vorhang schloss sich wieder, doch zuvor hatte Nate noch Aces Gesichtsausdruck bemerkt, als sie Brenda im Chorkostüm neben den anderen stehen sah. Er blickte nun seinerseits zu Brenda herüber und stellte fest, dass ihr hübsches Gesicht geschwollen und voller roter Flecken war, die offensichtlich vom Weinen stammten.
Oh nein, was hatte Wesley Wellhaven bloß getan!
Obwohl Nate nicht an seinen guten Absichten zweifelte, konnte er das Desaster schon kommen sehen. Und Morgan, die angespannt neben ihm saß, schien es nicht anders zu gehen.
Schließlich kam das Finale. Auf der Bühne wurde es dunkel bis auf einen Schweinwerfer, der den Weihnachtsengel – es war tatsächlich Ace – in ein fast unwirklich weißes Licht tauchte. Die Musik setzte ein, und Nate krümmte sich in Erwartung dessen, was jetzt kommen würde, innerlich zusammen.
Aber Ace sang nicht.
Stattdessen sprach sie ihren Text so souverän, als hätte sie
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