Julia Extra Band 0342
fortgezogen.
Er ist kein Freund, rief sie sich ins Gedächtnis. Nach diesem Abend würden sie einander wahrscheinlich nie wiedersehen. Es war also egal, ob er so viel Verständnis für sie zeigte. Wahrscheinlich hatte er es ohnehin bloß so dahergesagt.
Stimmt gar nicht, flüsterte ihr Herz.
Aber Jayne hörte nicht darauf. Sie wusste inzwischen, wie riskant es war, sich von seinen Gefühlen leiten zu lassen. Es war ein Glücksspiel – eines, bei dem man häufiger verlor als gewann. Gefühle waren die schlechtesten Ratgeber, die sie sich denken konnte. Unversehens war man auf dem falschen Weg und wusste nicht mehr ein noch aus.
Sie zog ihre Hand fort. Seltsam, wie kalt es plötzlich ohne seine Berührung war.
Trotzdem war es besser, auf den Verstand zu hören. So war man auf jeden Fall auf der sicheren Seite.
Oder?
Es irritierte sie, wie Tristan sie mit seinen grünen Augen anschaute. Geradezu … liebevoll.
Sie sollte besser nicht hinsehen.
Vor allem, da sie tief in ihrem Inneren hoffte, dieser Abend mit Tristan würde niemals enden.
Hastig vertrieb sie den Gedanken. Es wurde höchste Zeit, sich von Tristan zu verabschieden.
4. KAPITEL
Tristan fühlte sich auf seltsame Weise beschwingt, während er Jayne nach Hause fuhr. Während des Essens, das sie mit größtem Appetit vertilgt hatte, war sie immer aufgeschlossener geworden, hatte viel von sich erzählt und oft gelächelt, wobei er jedes Mal fasziniert war vom Funkeln in ihren Augen.
Plötzlich durchfuhr ihn ein Gedanke. Was würde Rich dazu sagen, wenn er erfuhr, dass sein bester Freund einen ganzen Tag mit seiner Exverlobten verbracht hatte? Andererseits – konnte es ihm nicht vollkommen egal sein? Tristan hatte sich nun wirklich nichts vorzuwerfen. Die Verlobung war aufgelöst, Jayne war niemandem zur Rechenschaft verpflichtet. Sie konnte tun und lassen, was sie wollte. Es stand Tristan also nichts im Weg, wenn er sie gerne näher kennenlernen wollte. Eigentlich war sie gar nicht der Typ Frau, mit dem er sonst ausging – aber das machte die Sache umso interessanter.
Er warf ihr einen Blick zu und ertappte sie dabei, wie sie gähnte.
„Müde?“
„Ein bisschen. Aber eine Tasse Kaffee wird mich wieder munter machen.“
„Hast du denn heute noch etwas vor?“
„Vielleicht setze ich jetzt die Anzeige für einen Mitbewohner auf.“
Tristan grinste. „Wirklich? Wo willst du denn suchen?“
„Im Internet, habe ich gedacht – bei Facebook vielleicht.“
Oje. Auf einmal erschien ihm die Idee, dass Wildfremde auf ihre Anzeige antworten konnten, doch nicht mehr so brillant. „Sei vorsichtig mit der Formulierung. Du willst ja keine Verrückten auf dich aufmerksam machen. Schau dir ihre persönlichen Profile genau an, damit du keine bösen Überraschungen erlebst.“
„Ich suche nach einem Mitbewohner und nicht nach einer Beziehung.“
„Hast du eine Ahnung, bei wie vielen dieser Anfragen nach einer Wohngelegenheit es in Wirklichkeit um eine Beziehung geht?“
Seltsam, welche Gedanken er sich auf einmal um sie machte. „Danke für die Warnung. Ich verspreche dir, vorsichtig zu sein.“
Trotzdem machte er sich Sorgen.
„Es ist das dritte Haus auf der rechten Seite“, erinnerte sie ihn für den Fall, dass er es vergessen hatte.
Natürlich wusste er es noch. Tristan parkte am Straßenrand, zog die Handbremse an und schaltete den Motor aus.
Ihre Augen wurden groß. „Du brauchst mich nicht bis zur Tür zu begleiten.“
„Es ist schon dunkel …“
Jayne lachte. „Ich bitte dich. Es sind ja nicht mal zehn Meter bis zur Haustür…“
„Jemanden im Dunkeln bis zur Tür zu bringen ist nicht nur ein Akt der Höflichkeit, sondern auch der Vernunft“, dozierte er. „Wir wollen doch kein unnötiges Risiko eingehen.“
„Oh … na gut.“
Tristan lief um den Wagen herum und öffnete die Beifahrertür. Die Front des Bungalows wurde von einer Lampe über der Haustür erhellt. Es war ein hübsches kleines Haus in einer ruhigen Gegend, in der Gull View Lane. Rockmusiker oder Künstler oder Surfer würden hier zwar nicht wohnen wollen, überlegte er. Aber vielleicht meldete sich eine Bibliothekarin oder eine Lehrerin auf ihre Anzeige.
Warum zerbrach er sich eigentlich Jaynes Kopf? Sie musste einen passenden Mitbewohner finden. Oder viel besser: eine Mitbewohnerin.
Jayne kramte lange in ihrer Handtasche nach dem Schlüssel. Auch nicht gerade umsichtiges Verhalten, wenn sie allein gewesen wäre.
Ob sie wirklich wusste, worauf
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