Julia Extra Band 0345
sein wahres Gesicht.“
„Das glaube ich kaum.“
„Ich werde ihm bestimmt nicht zu Füßen liegen. Und du lässt Mum beim Scrabble gewinnen.“
„Aber natürlich.“ Er lächelte verwegen. „Also los: Kämpfen wir für die gute Sache!“
Gemeinsam gingen sie ins Esszimmer zurück. Eddie sagte zu seiner Mutter: „Mum, lass uns eine Runde Scrabble spielen. Ich kann die Schmach, dass du letztes Mal gewonnen hast, nicht auf mir sitzen lassen.“
„Dann lass ich euch beide in Ruhe“, meinte Costarella und erhob sich von seinem Stuhl. Lächelnd wandte er sich an Jake: „Ich bin mir sicher, dass Sie sich in der Gesellschaft meiner Tochter wohlfühlen werden.“
„Ganz bestimmt“, erwiderte Jake und stand ebenfalls auf. Er war bereit für die Verführungsszene im Garten.
Plötzlich kam Laura ein Gedanke. Ihretwegen konnte Jake sich an die Spielregeln ihres Vaters halten. Aber sie musste nicht mitspielen, denn er war nicht ihr Gast. Das Mittagessen hatten sie überstanden. Die große Herausforderung, den Tag gemeinsam zu verbringen, war gemeistert. Ihr Vater hatte sich bereits zurückgezogen. Sein Zorn würde nicht alle treffen, wenn sie sich Jake gegenüber unhöflich benahm. Bevor sie selbst zum Opfer würde, wollte sie lieber ihn in Verlegenheit bringen.
Sie zeigte Jake ihr schönstes Lächeln. „Auf geht’s.“
Auf dem Weg in den Garten begann er ein unverfängliches Gespräch.
„Haben Sie sich wegen der Gartenleidenschaft ihrer Mutter für Ihr Studienfach entschieden?“
Sein Interesse schien echt zu sein, also antwortete sie. „Zum Teil. Nick hatte vielleicht einen noch größeren Einfluss. Er ist immer so kreativ, wenn es darum geht, Mums Wünsche zu erfüllen.“
„Wer ist Nick?“
„Der Gärtner. Aber eigentlich ist er viel mehr als das. Er denkt sich Dinge aus, die Mum gefallen könnten. Zum Beispiel die neuen Solarlampen beim Teich. Kommen Sie, ich zeige sie Ihnen.“
„Es gibt sogar einen richtigen Wasserfall“, stellte Jake fest, als sie am Teich angekommen waren.
„Ja, das Geräusch wirkt sehr beruhigend. Die meisten Menschen sitzen gern in Wassernähe. Denken Sie nur an die Springbrunnen in den Parks. Das Gleiche gilt für Lichteffekte auf Wasseroberflächen. Die Solarlampen werden bei Dunkelheit vom Teich reflektiert“, erklärte Laura.
„Sitzt Ihre Mutter abends oft hier?“, fragte Jake.
„Ab und zu. Aber sie kann den Teich von ihrem Schlafzimmerfenster aus sehen. Als besonderen Kniff hat Nick ein paar Strahler auf die chinesischen Wasserträgerfiguren gerichtet. Das ist sehr effektvoll.“
„Landschaftsarchitektur“, sagte Jake lächelnd. „Bislang hatte ich mir keine Gedanken darüber gemacht, aber jetzt sehe ich, wofür sie gut ist.“
„Ich schätze mal, dass Sie in Ihrem Beruf noch nicht einmal Zeit haben, an einer Rose zu schnuppern“, unkte Laura.
„Das stimmt“, gab er unumwunden zu.
„Und ist es das wert?“, fragte Laura spöttisch.
Sein Gesichtsausdruck veränderte sich leicht, und er kniff die Augen zusammen. „Ja, für mich schon“, antwortete er in einem Tonfall, als dulde er keine andere Meinung.
Laura ließ nicht locker. „Arbeiten Sie gern für meinen Vater?“
„Ihr Vater gehört zu einer Welt, die mich sehr interessiert“, wich er geschickt der Frage aus.
„Und was für eine Welt!“, erwiderte sie trocken. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Spaß bringt, mit dem Bankrott anderer Menschen Geschäfte zu machen.“
„Nein, das kann ein traumatisches Erlebnis sein“, stimmte er ihr leise zu. „Menschen, die so etwas durchmachen, können sich nicht einmal mehr an der schönsten Landschaft erfreuen. Sie sehen nur noch, dass ihr Leben zerbricht, ihr Arbeitsplatz verloren geht und ihre Zukunftsträume zerplatzen. Oft endet es mit Scheidung, Gewalt, Depressionen und Selbstmord.“
Das Mitgefühl in seinen Worten ließ sie erzittern. Sie hätte niemals geglaubt, dass er sich darüber Gedanken machte, sondern hatte ihn für eiskalt berechnend gehalten.
„Aber Menschen, die ein Trauma erlebt haben, finden durchaus Trost in einer schönen Landschaft“, warf sie ein. Zumindest traf das auf ihre Mutter zu.
„Ich wollte Ihre Arbeit nicht herabwürdigen“, sagte Jake mit einer entschuldigenden Geste. „Ich bin nicht wie Ihr Vater, Laura. Vielleicht können wir ganz offen miteinander reden.“
„Warum sind Sie heute hier“, fragte sie geradeheraus.
„Ihr Vater wollte, dass ich Sie kennenlerne, und ich war
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