Julia Extra Band 0347
kaum. Es war alles so schnell gegangen, und sie hatten kaum Zeit gehabt, einander besser kennenzulernen. Aber sie wollte alles über ihn wissen, wollte ihn verstehen lernen. Natürlich in der Hoffnung, dass er inzwischen dieselben Empfindungen für sie hatte wie sie für ihn. Doch es war noch mehr. Sie liebte ihn, und jedes neue Detail über ihn war eine Kostbarkeit.
„Du weißt inzwischen alles über mich. Meine Geschichte mit Rob und meine missglückten Beziehungen seitdem. Aber von dir weiß ich so gut wie gar nichts.“ Sie knuffte ihn in die Rippen und sprach weiter. „Das ist das Problem mit euch neugierigen Personen. Ihr seid gute Zuhörer, und ich rede einfach zu gern.“
Noah streichelte ihren Arm und küsste sie auf die Stirn. „Wir ergänzen uns eben perfekt.“
Sie schüttelte den Kopf. „Du musst doch ein paar ernsthafte Beziehungen in deinem Leben gehabt haben, ich bin bestimmt nicht die erste. Außerdem zähle ich noch nicht richtig, stimmt’s?“
Er umfasste ihre Taille und hob sie hoch, sodass sie auf ihm lag. Ein verführerischer Glanz lag in seinem Blick. „Glaube mir, du zählst.“ Er strich mit den Händen langsam ihre Beine nach oben entlang.
„Das meine ich nicht, Noah. Du weichst dem Thema aus.“
Er hielt inne. „Vielleicht gibt es gar nichts zum Ausweichen.“
Doch der Glanz in seinen Augen war einer verschlossenen Härte gewichen. Grace rutschte von ihm herunter. „Vielleicht“, sagte sie leise.
„Ich möchte nicht darüber sprechen, Grace. Thema beendet“, erklärte Noah entschlossen und stand auf.
Sie wickelte sich das Laken um den Körper, während er im Badezimmer verschwand und die Tür hinter sich zuknallte. Jetzt hatte sie ihre Antwort und wusste, was Noah fühlte.
Noah betrachtete seine angespannten Gesichtszüge im Badezimmerspiegel.
Da waren sie wieder, diese bohrenden Fragen.
Er hatte nicht gedacht, dass es so früh beginnen würde. Sie hatten eine so schöne Zeit miteinander gehabt, und nun musste Grace das alles mit tiefschürfenden Fragen zerstören. Sicher, es war ihr gutes Recht, trotzdem ärgerte es ihn.
Bei Sara hatte es wesentlich länger gedauert, bis die persönlichen Fragen einsetzten. Was denkst du, Noah? Was fühlst du, Noah?
Er hatte dann versucht, Antworten zu finden, die sie hören wollte. Aber sie waren nicht ehrlich gewesen. Er hatte ein Bild von sich konstruiert, das eher einer seiner Romanfiguren glich. Der wahre Noah blieb ihm selbst ein Geheimnis.
So hatte er es eine Weile geschafft, Sara etwas vorzuspielen. Doch natürlich brach diese Fassade eines Tages auf, und Sara musste entdecken, dass sich dahinter nur Leere verbarg. Das war der eigentliche Grund, warum sie ihn verlassen hatte.
Noah wollte auf keinen Fall, dass auch Grace sich von ihm abwendete.
Die letzten Tage waren wunderschön gewesen und trotz seines gläsernen Schutzwalls hatte er Gefühle entwickelt, wie es ihm bisher nicht möglich gewesen war. Trotzdem gab es immer noch etwas, das ihn blockierte. Er konnte einfach nicht so tief empfinden. Er hatte nichts zu geben.
Deshalb musste er Grace ablenken, damit sie nicht wie Sara die Leere unter seiner Oberfläche erkannte.
Er duschte, und während er sich abtrocknete, betete er zu Gott, dass sie nicht mit Tränen dasitzen würde. Alles, was er in solchen Situationen zu Frauen sagen konnte, klang banal und machte die Dinge oft noch schlimmer.
Aber Grace weinte nicht, als er ins Zimmer zurückkam, sondern war dabei sich anzuziehen. Sie stapfte zwischen Schrank und Bett hin und her und schlug geräuschvoll Türen zu. Er stellte sich ihr in den Weg.
„Es tut mir leid, Grace. Ich wollte dich nicht so anfauchen.“
Schon wieder. Obwohl seine Worte nicht übertrieben klangen, empfand er sie als falsch. Wie auswendig gelernt. Er meinte durchaus, was er sagte, empfand jedoch nichts dabei.
Sie sah ihn mit durchdringendem Blick an.
„Okay, Entschuldigung angenommen. Ich wollte dir nicht zu nahe treten, aber ich möchte dich einfach besser kennenlernen.“
Er nickte.
Er hatte geglaubt, bei Grace außer Gefahr zu sein. Denn eine Ehe, die nichts mit Liebe zu tun hatte, konnte sich guten Gewissens an der Oberfläche bewegen. Doch er hatte sich geirrt, und diese Erkenntnis machte ihm zu schaffen. Er irrte sich nicht gern, besonders nicht in dieser speziellen Frage. Wenn er hier schon so danebenlag, wo würde er dann noch zu Fehleinschätzungen kommen?
Jetzt war Ablenkung gefragt.
„Lass uns einen Spaziergang
Weitere Kostenlose Bücher