Julia Extra Band 0349
doch nur, welche Türen sich da auftun‘“, ahmte sie Gaby-Anna mit hoher Stimme nach. „‚Denk an die neuen Kunden, die du dadurch bekommst.‘“ Izzy schnaubte abfällig. „Schlimm genug, dass ich mich mit all den verwöhnten reichen Typen in der Stadt rumschlagen muss. Jetzt soll ich auch noch hier rausfahren, wo … wo Kleingetier die Straßen belagert und keine Züge mehr fahren, nur weil es dunkel ist?“
Dazu hätte Rio mehrere Dinge sagen können: Erstens: Anna und Gaby haben recht. Zweitens: Kaninchen gibt es überall. Drittens: Es liegt nicht an der Dunkelheit, dass freitagnachts keine Züge fahren. Stattdessen erwiderte er nur: „Sie wissen doch gar nicht, ob Rio D’Aquila verwöhnt ist.“
„Er ist reich“, fauchte Isabella. „Und ein Paradebeispiel von Mann. Sagt Gaby. Anna kennt ihn zwar nicht, aber sie hat ihn gesehen, auf irgendeiner Wohltätigkeitsveranstaltung oder im Theater, so genau weiß ich das nicht. Sie findet auch, dass er umwerfend aussieht. Und dass er mehr Geld als nötig hat und außerdem ein überdimensionales Ego.“
Insgeheim setzte Rio diese Anna auf die Liste von Leuten, auf die er getrost verzichten konnte. „Interessant.“
„So genau hat sie es nicht gesagt. Aber warum sonst sollte jemand ein Riesenhaus mitten in der Pampa bauen, wenn er bereits Gott weiß wie viele Häuser besitzt?“
„Vielleicht weil ihm die Gegend gefällt? Und Southampton ist wohl kaum ‚Pampa‘.“
„Versuchen Sie erst gar nicht, Ihren Boss zu verteidigen.“ Zornig reckte sie das Kinn. „Ich kenne Typen wie ihn, ich arbeite für sie!“
„Männer mit Geld sind also alles habgierige Schwachköpfe?“, fragte er trocken.
„Mit übertrieben großen Egos“, ergänzte sie.
„Das ist eine höchst interessante Beobachtung. Schließt das Dante Orsini, der die Empfehlung für Sie ausgesprochen hat, mit ein?“
„Woher wissen Sie das?“
Ich Trottel, dachte Rio und sagte schnell: „D’Aquila erwähnte es.“
„Nein, natürlich nicht. Darum geht es auch gar nicht.“ Isabella erschauerte. Die Nacht schien plötzlich viel kühler geworden zu sein. „Ich sitze hier fest, verstehen Sie nicht? Im letzten Außenposten der Zivilisation!“
Es war anstrengend, nicht zu lachen. Noch anstrengender war es, keinen Kuss auf diesen wütenden Mund zu drücken.
Was soll’s, dachte Rio und zog sie in seine Arme.
„Was machen Sie da?“
„Ihnen ist kalt. Ich wärme Sie.“
„Das ist unnötig.“
„Doch, es ist nötig. Also hören Sie auf, sich zu wehren, und lassen Sie sich von mir wärmen.“
Stocksteif stand Izzy in seiner Umarmung, und Rio hielt sie mit der Entschlossenheit eines Pfadfinders fest, der eine gute Tat vollbrachte. Nur war er nie bei den Pfadfindern gewesen, und es fiel schwer, wie einer zu denken, wenn Isabella sich so weich und weiblich in seinen Armen anfühlte. Er wollte seine Wange an ihr Haar legen, ihr Gesicht anheben und sie küssen, wollte all die Dinge tun, die ein Mann mit einer Frau tat, die ihn verrückt machte.
Die ihn etwas fühlen ließ, das nur mit Zärtlichkeit beschrieben werden konnte. Gerade als er sich befahl, sie loszulassen, seufzte sie und lehnte die Stirn an seine Brust.
„Sie haben recht“, flüsterte sie. „Ich hab’s verbockt, und ich sitze fest. Was soll ich nur tun?“
Es gab eine einfache Lösung. Er war Rio D’Aquila. Sein Flugzeug stand nicht weit entfernt. Sie mussten nur nach Easthampton fahren, und in einer Stunde wäre sie zurück in der Stadt.
Nur, er wollte sie hier haben. Das war unlogisch. Er verstand nicht, weshalb Logik ihm plötzlich völlig gleichgültig war.
Wohl zum hundertsten Mal, seit Isabella Orsini in seinem Leben aufgetaucht war, sagte er sich, dass es reichte. Es wurde höchste Zeit, sich wieder logisch zu verhalten. Er sollte sie nach New York zurückbringen. Das war nicht nur logisch, es war das einzig Richtige. Er musste nur den ersten Schritt machen.
Und genau dieser erste Schritt war der Killer.
Er müsste ihr sagen, wer er war.
Sie wäre nicht begeistert. Nicht begeistert? Das war die Untertreibung des Jahrhunderts. Sie würde schäumen vor Wut.
Sobald sie wusste, wer er war, würde sich alles ändern. Sie wäre dann zwar noch immer der Gärtner Izzy mit dem geliehenen ruinierten Auto und dem geliehenen ruinierten Kostüm, während er der Lügner wäre. Der reiche Lügner. Ein Mann mit mehr Geld als nötig und einem überdimensionalen Ego.
Er konnte nicht einmal sagen, warum er dieses alberne
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