Julia Extra Band 0349
erfasste Rio. „Ich bin froh, dass du das so siehst.“
„Wie ist es in Brasilien mit dir weitergegangen?“
„Ich habe eine Entscheidung getroffen: Ich wollte so viel wie möglich lernen. Angefangen habe ich mit Portugiesisch und Englisch. Ich belegte alle möglichen Abendkurse – Mathematik, Naturwissenschaften, Geschichte, Wirtschaft. Wählerisch war ich nicht. Da ich vorher nichts im Kopf gehabt hatte, gab es viel Raum zu füllen. Und ich nahm jeden Job an, den ich finden konnte: Frachthelfer, Bauarbeiter, dann die Ölfelder. Ich verdiente etwas Geld, investierte es und machte mehr Geld. Es stellte sich heraus, dass ich ein Talent … zum Organisieren hatte.“
„So wie du auf dem Anwesen alles organisierst.“
Sein Magen verkrampfte sich. „So ungefähr, ja.“
„Wie hast du Rio D’Aquila getroffen?“
Noch musste er vorsichtig sein. „Erinnerst du dich an den Neuen Markt, die riesigen Aktiengewinne mit dem E-Commerce? Ich habe da mitgespielt und in ein paar Firmen investiert. Und …“
„Und du hast alles verloren.“ Sie seufzte. „Ja, ich erinnere mich noch.“
Er hatte nichts verloren, im Gegenteil. Er hatte vernünftige Investitionen getätigt und Millionen verdient, doch das konnte er ihr nicht sagen.
„Und dabei hast du D’Aquila kennengelernt?“
„Genau.“ Es war die reine Wahrheit. Eines Morgens hatte er in den Spiegel geschaut, sich von Matteo Rossi verabschiedet und Rio D’Aquila begrüßt. Und er hatte nie wieder zurückgeblickt.
Bis heute.
„Er hat dir den Job als Verwalter angeboten.“
„Richtiger wäre es, zu sagen, ich verwalte eine ganze Reihe von Dingen für ihn.“
„Du magst ihn.“
„Ich … äh … wir kommen ganz gut miteinander zurecht.“
„Ist er nett?“
Gute Frage. „Ich glaube, er will nett sein, aber er steht unter großem Druck.“
„So schlimm kann er nicht sein. Immerhin sitzen wir in seinem Flugzeug. Aber die Villa, zu der wir fliegen, die gehört dir, oder?“
„Ganz allein mir“, bestätigte er ohne Zögern. „Ich habe sie vor Langem gekauft – sie war das erste Zuhause, das ich je hatte. Das hat mir eine Menge bedeutet“, brummte er. „Und es würde mir noch mehr bedeuten, wenn sie dir auch gefällt.“
„Ich werde sie bestimmt lieben.“ Wie sollte sie das Haus nicht lieben, wenn sie den Besitzer doch von ganzem Herzen liebte?
Am späten Nachmittag landeten sie auf Mustique. Isabella war überwältigt. Blauer Himmel, bauschige Wolken, endlose weiße Strände, üppig grüne Vegetation. Die Farben aus dem Paradies, dachte sie.
Mit einem alten Jeep fuhren sie über eine enge Straße in den Dschungel, bis sie auf eine Lichtung kamen, auf der ein elegantes weißes Haus stand.
Matteo fuhr bis vor den Eingang. Das Herz sackte ihm bis in die Knie, als er sagte: „Das ist es.
„Oh Matteo …“
„Gefällt es dir?“
„Gefallen?“ Sie warf sich ihm an den Hals. „Es ist wunderschön! Wie ein Gemälde von … wie heißt er noch?“
„Gauguin?“
„Genau!“ Sie lachte entzückt.
„Sì.“ Er grinste. „Das dachte ich auch, als ich es zum ersten Mal gesehen habe. Möchtest du …“
Isabella war längst aus dem Jeep gesprungen, die Wangen glühend vor Begeisterung. Rio folgte ihr. Als er sie eingeholt hatte, nahm er ihre Hand.
„Danke.“ Sie drehte sich zu ihm. „Danke, dass du dieses wunderbare Geheimnis mit mir teilst.“ Dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn.
Rio bekam kaum noch Luft. Ihr den Pool, den Strand und das Meer zu zeigen konnte warten. Viel wichtiger war es, sie in die Villa zu tragen und sie zu lieben.
Sie ein allerletztes Mal als Matteo Rossi zu lieben. Danach würde er das größte Risiko seines Lebens eingehen.
Er würde Isabella sagen, dass er sie getäuscht hatte. Und dass er sie von ganzem Herzen liebte.
Tausende von Meilen entfernt marschierte Anna Orsini Valenti im Hinterzimmer des Pubs, den ihre Brüder in SoHo besaßen, wie ein gereizter Tiger auf und ab. Dass das überhaupt möglich war, bewies, wie vorsorglich die anderen Abstand von ihr hielten.
Denn ganze acht Leute – Anna, ihr Mann und drei ihrer Brüder mit ihren Frauen – hatten sich in das kleine Büro gepfercht.
The Bar war eine urige Kneipe, die Rafe, Dante, Falco und Nick vor Jahren gekauft hatten, um ihre Stammkneipe zu erhalten, als die Nachbarschaft immer hipper und teurer geworden war.
„Zum x-ten Mal, Anna, was ist eigentlich los?“ Die Frage kam von Rafe, der als Antwort einen
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