Julia Extra Band 0349
erklärte er, als die Zuschauer sie mit halbherzigem Applaus für ihren ersten Versuch belohnten.
Nur deinetwegen, dachte sie.
„Und jetzt versuchen wir es mit ein bisschen mehr Leidenschaft. Sehen Sie mich an, Amanda! Sehen Sie mich an, als würden Sie mich hassen.“
Das war einfach!
„So ist es gut. Jetzt weicher! Locken Sie mich …“
Das konnte sie auch. Aber nicht zu sehr! Neros Körper streifte ihren. Amanda fühlte sich, als hätte ein Blitz sie getroffen. Sie hob die Brauen und warf Nero einen langen Blick zu. Dann straffte sie sich zu einer noch dramatischeren Pose. Das Publikum belohnte sie mit spontanem Applaus.
„Langsam“, flüsterte Nero ihr zu. „Das ist Ihre erste Lektion.“
„Ich werde noch viele brauchen.“
Ihr Selbstvertrauen wuchs, als immer mehr Paare auf die Tanzfläche strömten und nicht mehr alle Augen auf Nero und ihr ruhten.
„Sie werden sie bekommen“, stimmte Nero zu. „Ich werde selbst nach einem guten Lehrer für Sie suchen.“
Amanda versteifte sich und wich zurück, doch Nero zog sie Zentimeter für Zentimeter wieder zu sich. Erst als die Musik endete, lockerte er seinen Griff und führte sie zurück zum Tisch.
Aus schmalen Augen sah er sie an. „Sie stecken voller Überraschungen, Amanda Wheeler.“ Er hob die Hand und winkte den Kellner heran.
„Nur noch etwas Wasser, bitte.“ Sie musste einen kühlen Kopf behalten.
Denn sie hatte mehr Geheimnisse, als Nero ahnte, und das sollte auch so bleiben.
6. KAPITEL
Ihre eiserne Selbstdisziplin hatte Amanda einen kurzen Abend beschert. Offensichtlich verärgert, hatte Nero sie in ihrem Hotel abgesetzt und sich mit einem kurzen Nicken verabschiedet.
Ich werde ihn mir aus dem Kopf schlagen! nahm Amanda sich am nächsten Morgen energisch vor. Heute würde sie ganz allein in Buenos Aires auf Entdeckungstour gehen!
Ein Blick aus dem Fenster zeigte ihr, dass auch an einem Sonntagmorgen in den Straßen lebhafter Verkehr herrschte, doch das machte ihr nichts aus. Lärm und Trubel gehörten zu einer berauschenden Stadt wie Buenos Aires dazu.
Ganz bestimmt würde sie nicht in ihrem Hotelzimmer sitzen und darüber nachdenken, was Nero gerade tun mochte. Er hatte versprochen, um elf Uhr anzurufen und sie dann zu seiner Ranch zu bringen. Wo er vorher war oder was er tat, ging sie nicht das Geringste an. Außerdem interessierte es sie kein bisschen.
Lügnerin, dachte sie, als sie das Hotel verließ. Aber trotz ihrer Gefühle für Nero würde sie das Beste aus der kurzen Zeit in einer der schönsten Städte der Welt machen.
Die freundliche junge Frau an der Rezeption hatte ihr auf der Karte einige Sehenswürdigkeiten gezeigt und versichert, dass sich überall die Menschen in den Straßen versammelten, Musik machten und Tango tanzten.
Amanda musste nicht weit gehen. Ganz in der Nähe des Hotels entdeckte sie einen kleinen Platz, der mit einigen Holzbrettern in eine improvisierte Tanzfläche verwandelt worden war.
Die Sonne schien warm, der Himmel war wolkenlos. In der Mitte des winzigen Platzes plätscherte ein Springbrunnen, und eine kleine weiße Kirche bildete den perfekten Hintergrund. Sie war wirklich in Südamerika!
Amanda sah sich staunend um, dann mischte sie sich unter die versammelten Zuschauer. Mit der Hand schirmte sie ihre Augen gegen die Sonne ab und schaute den Tänzern zu. Schon bald hatte sie außer der Musik und den Tangotänzern alles um sich herum vergessen. Sie bemerkte kaum, dass jemand hinter sie trat.
„Wie einfach es wäre, Sie davon zu befreien“, flüsterte ihr eine heisere männliche Stimme missbilligend ins Ohr.
„Nero!“ Ihr Herz setzte einen Schlag aus und schlug dann umso schneller weiter.
„Ihre Handtasche war auf“, erklärte er. „Sie haben Glück, dass man mir im Hotel gesagt hat, wo ich Sie finden kann. Ich hoffe, Sie haben schon gepackt.“
„Selbstverständlich.“ Amanda spürte, wie sie sich im Nu von einer fröhlichen, sorgenfreien Touristin in eine unbeholfene Angestellte verwandelte.
Sie straffte ihre Schultern, während sie sich in Erinnerung rief, dass sie hier war, um den Prinzen zu repräsentieren. Kühl streckte sie die Hand nach ihrem Portemonnaie aus. Mit ernstem Gesicht gab Nero es ihr zurück.
„Ist Taschendiebstahl eine Ihrer Angewohnheiten?“ Amanda steckte die Geldbörse zurück in ihre Handtasche.
„Ist es eine Ihrer Angewohnheiten, auf Reisen den gesunden Menschenverstand zu Hause zu lassen?“, gab Nero zurück.
Finster sahen sie einander an.
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