Julia Extra Band 0349
ich schließlich wieder aufgewacht bin, war sie wahrscheinlich schon zurück auf der Ranch.“
„Wie lange hast du gebraucht, um wieder nach Hause zu finden?“
„Zwei Tage.“
„Was hat deine Großmutter gesagt, als du schließlich wieder aufgetaucht bist?“
„Wir haben nie wieder darüber gesprochen. Sie war nicht gerade dafür bekannt, ihre Gefühle zu zeigen.“
Genau wie Nero, dachte Amanda.
„Aber sie hat es auf ihre Weise trotzdem getan – ihre Gefühle gezeigt, meine ich“, murmelte Nero und grinste. „Wie auch immer … Danach hat jedenfalls Ignacio eine immer wichtigere Rolle in meinem Leben eingenommen. Oder vielleicht sollte ich besser sagen: Ich habe angefangen, ihm zuzuhören. Jetzt wusste ich ja, dass seine Tricks lebenswichtig waren. Ich wollte lernen, wo ich Wasser und Nahrung in der Steppe finden kann, wie ich ein Pferd einfangen oder die Frauen verstehen kann …“
„Ah! Der letzte Punkt ist natürlich die schwierigste Lektion von allen!“
„Und ich habe sie noch immer nicht ganz gelernt“, gab Nero mit einem schiefen Lächeln zu.
„Und hattest du nach deinem Unterricht bei Ignacio immer noch Unfug im Sinn?“
„Was denkst du?“
„Ich vermute, dass du deine gesamte Energie in eine andere Richtung gelenkt hast.“
Nero grinste. „Kein Kommentar.“
„Ignacio hat dich also mit großgezogen.“
„Er und meine Großmutter waren die wichtigsten Menschen in meinem Leben. Alles, was ich bin, verdanke ich den beiden. Aber genug von mir! Ich will mehr von dir wissen. Zum Beispiel, ob du vorhast, dein restliches Leben als Eisjungfrau zu verbringen.“
„Vielleicht.“ Amanda zuckte mit den Schultern. „Bis jetzt hat es mir nicht geschadet.“
„Wirklich nicht?“, fragte Nero herausfordernd. „Wieso hast du diesen Weg gewählt, Amanda? Das Leben hat doch noch so viel mehr zu bieten.“
Sie dachte einen Moment nach, bevor sie ehrlich antwortete: „Es fühlt sich sicherer an.“
„Sicher?“, wiederholte er langsam. „Was ist dir passiert, dass dir Sicherheit so wichtig ist?“
„Nichts.“ Amanda machte eine wegwerfende Handbewegung. „Es war gar nichts.“
„Gar nichts? Etwas muss geschehen sein.“
„Es ist nur so dumm“, rief sie ärgerlich aus. Merkte er denn nicht, dass sie nicht darüber reden wollte? „Je länger es her ist, desto alberner kommt es mir vor.“
„Erzähl es mir.“
„So einfach ist das nicht.“ Sie errötete vor Verlegenheit.
„Es ist nie leicht, jemandem etwas anzuvertrauen, das man so tief in sich vergraben hat. Jeder Mensch hat Angst vor dem Urteil der anderen. Aber du bist in jedem anderen Bereich deines Lebens so stark, Amanda. Dies ist deine einzige Schwachstelle. Vielleicht hilft es dir, darüber zu reden.“
„Also gut“, gab sie schließlich nach. „Wenn du es wirklich wissen willst: Als ich ein Teenager war, hat einer der Freunde meines Vaters versucht … er hat versucht, mit mir etwas zu machen, das ich nicht wollte.“ Amandas Blick sagte mehr als tausend Worte.
„Und all die Jahre hast du nie jemandem davon erzählt?“
„Nein, ich war sicher, dass mir keiner glauben würde.“
„Warum denn nicht?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Er war angesehen. Ich nicht.“
„Angesehen?“
„Ich war damals nur ein Mädchen, das in den Ställen geholfen hat. Ich habe mich selbst immer als einen von den Stallburschen betrachtet. Ich bin mit Brüdern aufgewachsen. Von dem ganzen Mädchenkram habe ich nichts mitbekommen. Ich habe nie gelernt, mir ein hübsches Kleid anzuziehen oder mich zu schminken, ohne mir albern vorzukommen.“
„Hier geht es aber um etwas viel Schwerwiegenderes als nur um Kleider oder Make-up. Für mich hört sich das nach Missbrauch an“, wandte Nero sehr ernst ein.
„Was auch immer“, wehrte Amanda ab. „Später hat er dann Gerüchte über mich verbreitet. Ich wäre frigide. Die Leute haben angefangen, über mich zu reden. Am Anfang wusste ich nicht, warum, aber als ich schließlich begriffen habe …“
Nero stieß einen spanischen Fluch aus. „Vergiss den Kerl! Vergiss die ganzen Leute! Sie sind es nicht einmal wert, dass du dich an sie erinnerst.“
„Wie kann ich sie vergessen? Das ist meine Welt.“
„Es ist nur dein Arbeitsplatz. Deine Welt ist etwas anderes. Wenigstens hoffe ich das“, ergänzte er. „Was damals passiert ist, war nicht dein Fehler, Amanda. Du warst jung und naiv, aber du wirst darüber hinwegkommen. Du bist stark und hart im Nehmen. Du hast etwas
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