Julia Extra Band 0350
harsch. Lily nickte betrübt und wollte sich abwenden, als er stockend hinzufügte: „Es muss nicht ‚vertraust‘ heißen, sondern ‚vertrautest‘. Ich meine, ich habe dir nicht vertraut, aber das heißt nicht, dass ich dir jetzt nicht vertraue.“ Mit großen Schritten marschierte er aus dem Zimmer und ließ die Tür hinter sich offen stehen.
Lily starrte ihm verwirrt nach. Sollte das heißen, dass er ihr jetzt vertraute? Und wenn dem so war … Hör auf damit, warnte sie sich still. Hör auf, dir falsche Hoffnungen zu machen und Luftschlösser zu bauen, damit tust du dir nur selbst weh.
Es war jetzt eine Stunde her, seit Marco gegangen war und Lily in der Suite allein gelassen hatte. Eine Stunde, in der Lily die Unterhaltung mit ihm in Gedanken noch einmal hatte ablaufen lassen. Was, um alles in der Welt, hatte sie sich nur dabei gedacht, ihm von ihrem ersten und einzigen Mal damals als Teenager zu erzählen? Was hatte sie sich davon erhofft?
Die Frage war einfach zu beantworten: Sie hatte sich gewünscht, er würde sie in seine Arme ziehen, sie zum Bett tragen und ihr zeigen, welch sinnliches Vergnügen sie zusammen mit ihm finden konnte. Und sie … sie hatte ihm ihre Liebe zeigen wollen, auch wenn er ihr keine Liebe geben konnte, weil er noch immer jene andere liebte.
Instinktiv wusste sie, dass er, ein rücksichtsvoller, ehrenhafter Mann, der sein Mitgefühl hinter einer Maske von Hochmut und Arroganz versteckte, ihr das geben konnte, was sie bisher nie erfahren hatte und so unbedingt mit ihm erleben wollte.
Aber … würde sie sich so sehr erniedrigen, wenn sie doch wusste, dass er eine andere liebte? Andererseits … hatte sie nicht das Recht, ihn als Liebhaber zu erleben und Erinnerungen für sich zu schaffen, von denen sie zehren konnte, wenn Marco nicht mehr zu ihrem Leben gehörte? Sie nahm die Pille – ihr Gynäkologe hatte sie ihr verschrieben, um ihren Zyklus zu regulieren –, ungewollte Konsequenzen würde es also nicht geben. Und Gefahren für die Gesundheit brauchte man bei einem Mann wie Marco sicherlich auch nicht zu befürchten. Marco würde immer darauf achten, kein Risiko einzugehen.
Lily hatte sich geschworen, dass sie sich auf keine sexuelle Beziehung einlassen würde, aus Furcht, dass sie sich verliebte und dann ebensolche Qualen litt wie ihre Mutter. Doch sie war ja bereits in Marco verliebt, also würde sie leiden, ob sie nun mit ihm schlief oder nicht.
Mit Marco schlafen. Hatte sie das etwa von Anfang an gewollt?
Jetzt war es zu spät. Er war gegangen. Aber er würde zurückkommen, nicht wahr? Und wenn er zurückkam, dann würde sie …
Sie würde ihren Stolz wahren und gar nichts tun!
Marco blieb zögernd vor der Tür zur Suite stehen. Vor zwei Stunden hatte er Lily allein gelassen. Er konnte sich vorstellen, dass sie Zeit für sich gebraucht hatte, nachdem ihre schreckliche Vergangenheit wieder aufgewühlt worden war. Doch jetzt wollte er ihr Bescheid geben, dass die Herzogin sich heute beim gemeinsamen Dinner entschuldigen ließ – sie hatte einen Termin übersehen, den sie schon lange vorher ausgemacht hatte.
Mit seinem Geständnis, dass er Lily vertraute, waren auch die restlichen Barrieren in ihm weggeschwemmt worden. Nein, so stimmte das nicht. Er selbst hatte sie eingerissen, weil er sie nicht mehr länger wollte oder brauchte. Alles, was er wollte und brauchte, war Lilys Liebe, Lily selbst in seinem Leben. Er hatte sich so sehr in ihr getäuscht. Ob er es über sich bringen würde, ihr das alles zu gestehen? Sollte er wirklich der inneren Stimme folgen, die ihm sagte, dass er Lily vertrauen konnte, dass er seine Verwundbarkeit vor ihr nicht verstecken musste?
Lily sah, wie die Türklinke sich bewegte, und ihr Herz setzte zu einem rasanten Höhenflug an, um genauso schnell wieder auf den Boden zurückzufallen. Sie hatte sich für eine risikoreiche Strategie entschieden, schließlich … was hatte sie zu verlieren? Ihr Herz? Das hatte sie bereits verloren. Ihren Stolz? Der war ihr gleich. Das Einzige, worum es ihr ging, waren die Erinnerungen an einige wenige wertvolle Momente mit Marco, von denen sie ihr ganzes Leben lang würde zehren müssen.
Ihr Plan stand fest. Sollte Marco darauf eingehen, dann würde sie morgen früh die Villa verlassen und nach England zurückkehren, ohne die Tour mit ihm zu beenden. Damit würde Marco die Peinlichkeit der Situation erspart bleiben, er brauchte ihre Anwesenheit nicht weiter zu ertragen. Und sie würde sich nicht mit
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