Julia Extra Band 0354
wollen! Wieso dieser plötzliche Sinneswandel? Sie versuchte, einen klaren Kopf zu behalten.
„Das … das beruhigt mich kolossal.“ Was sollte sie nur sagen? „Ich … ich hoffe, deine Frau wird Mulberry Court ebenso lieben wie wir … äh, wie ich.“
In Oscars Augen lag ein eigenartiger Glanz. „Da bin ich mir absolut sicher“, antwortete er langsam. „Sie wird allerdings einsehen müssen, dass wir nicht das ganze Jahr über hier leben können, weil wir noch andere Verpflichtungen haben.“
„Sie wird sich bestimmt ganz nach dir richten“, brachte Helena mühsam über die Lippen.
„Vielleicht.“ Er zuckte mit den Schultern. „Frauen sind oft so unberechenbar.“
Zu diesem Thema hätte ihm Helena einiges sagen können, entschloss sich jedoch dagegen. Mit einem kurzen Kopfnicken wünschte sie ihm ein zweites Mal eine gute Nacht und eilte die Stufen hinauf in ihr Zimmer.
Nachdem sie die Tür hinter sich ins Schloss gezogen hatte, lehnte sie sich mit geschlossenen Augen an den Rahmen. Scharf schnitt ihr der Schmerz ins Herz, und sie hatte das Gefühl, kaum noch Luft zu bekommen. Wie konnte Oscar es nach den vergangenen Tagen wagen, ihr gegenüber seine künftige Ehefrau zu erwähnen? Waren alle Männer so wie er – und fanden es völlig normal, Frauen so achtlos zu wechseln wie Wäsche?
Und wie war ihr eigenes Verhalten zu beurteilen? In Wahrheit hatte sie Oscar in seinem arroganten, verantwortungslosen Tun noch bestärkt, indem sie sein Spiel mitgespielt hatte! Sie hatte sich ihr Unglück also selbst zuzuschreiben.
Sie ging zum Bett hinüber und setzte sich. Langsam regten sich ihre Lebensgeister wieder, und sie blickte nach vorn. Oscar würde sich noch wundern! Keine ihm noch so ergebene Griechin würde das englische Klima klaglos ertragen, und nach zwei Wochen Dauerregen würde sie ihm das Leben zur Hölle machen! Er würde garantiert keine finden, die das Haus so liebte wie sie und die die Fähigkeit besaß, jeder Jahreszeit und jedem Wetter das Beste abzugewinnen. Eine von der Sonne verwöhnte Südländerin passte einfach nicht nach Mulberry Court.
Durch diese Gedanken etwas getröstet, sah sie sich in der Lage, aufzustehen und ihre Reisetasche auszupacken. Es ging ihr in Wirklichkeit nicht um Mulberry Court, sondern um Oscar, das wusste sie ganz genau. Sie gönnte Oscar keiner anderen, und das, obwohl er ihr nie ernsthaft Hoffnungen gemacht hatte. Ganz im Gegenteil, Oscar wollte sie nicht. Jedenfalls nicht auf Dauer oder gar für immer.
Sie rieb sich die schmerzenden Schläfen. Warum, warum nur hatte Isobel ein so eigenartiges Testament machen müssen, das alte und längst verheilt geglaubte Wunden wieder aufriss?
Oscar, der hinter seinem Schreibtisch in der Bibliothek saß, fühlte sich nicht viel besser. Er kam sich vor wie der letzte Mensch und schämte sich für das, was er Helena soeben aufgetischt hatte. Doch er hatte sich nicht anders zu helfen gewusst, denn in letzter Sekunde hatte ihn der Mut verlassen. Das, was er eigentlich hätte sagen wollen, das, was er wirklich empfand und sich wünschte, war ihm einfach nicht über die Lippen gekommen.
Er strich sich nachdenklich übers Kinn. Wenn er bedachte, wie sehr er Helena schon in der Vergangenheit verletzt hatte, bewegte er sich auf dünnem Eis. Ein falscher Schritt, und alles war verloren. Helena begehrte ihn, davon war er fest überzeugt, aber vertraute sie ihm auch? Und durfte er das von ihr überhaupt erwarten, nachdem er sie damals im Stich gelassen hatte? Würde sie ihm je eine zweite Chance geben?
Sie musste es einfach, und wenn er notfalls etwas nachhelfen musste. Im Krieg und in der Liebe war jede List erlaubt. Er kniff die Augen zusammen. Er brauchte einen Plan.
Als Helena am nächsten Morgen aufwachte, war sie zu ihrem eigenen Erstaunen ganz ruhig. Dass Mulberry Court in seiner jetzigen Form bestehen bleiben würde, tröstete sie, und dass Oscar sie auszahlen wollte, um alleiniger Besitzer zu werden, war auch nichts Neues, er hatte es von Anfang an gesagt. Warum auch nicht, Geld genug besaß er ja.
Eigentlich sollte sie ihm für seine brutale Offenheit dankbar sein, denn damit hatte er ihr die Augen geöffnet. Er wollte sie nicht – aber auf einen Mann, der einen solch miesen Charakter bewies, konnte sie sowieso verzichten. Welche Frau wollte schon einen Partner, der ihr erst den Himmel auf Erden schenkte, nur um sie gleich darauf fallen zu lassen wie eine heiße Kartoffel?
Der Fall war eigentlich klar: Oscar
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