Julia Extra Band 0354
rang er diesen Impuls nieder und konzentrierte sich auf ihre Frage.
„Samia? Sie ist fünfundzwanzig und heiratet am Wochenende den Sultan von Al-Omar. Für die Vorbereitungen ist sie schon nach B’harani geflogen.“
Als Julia verblüfft die Augen aufriss, konnte Kaden sich vor Verlangen kaum noch zurückhalten. Wenn er jetzt seinem Impuls nachgab und aufstand, wüsste Julia auf einen Blick Bescheid, wie ihre Anwesenheit auf ihn wirkte. Er schwankte zwischen Wut auf sich selbst, sie hergebracht zu haben, und dem Wunsch, sie nicht so schnell wieder gehen zu lassen. Ein solches Gefühlschaos hatte er lange nicht mehr erlebt. Eigentlich war er ein Mann klarer logischer Entschlüsse. Jetzt jedoch hatte er das Gefühl, von einem tosenden Strudel fortgerissen zu werden. Genau wie damals bei seiner ersten Begegnung mit Julia. Die Versuchung war groß, seinem Verlangen nachzugeben und noch einmal mit ihr zu schlafen. Wieso eigentlich nicht?
„Samia heiratet den Sultan von Al-Omar?“ Ungläubig schüttelte Julia den Kopf. Außerdem gefiel ihr das verräterische Glitzern in Kadens Augen nicht. Sie musste sich sehr zusammenreißen, um sich auf das Gespräch zu konzentrieren. „Samia war doch immer sehr schüchtern. Fällt es ihr nicht schwer, plötzlich so im Rampenlicht zu stehen?“
Die Frage löste unerwartete Schuldgefühle in Kaden aus. Er hatte kurz vor Samias Abreise aus London noch mit ihr gesprochen. Eigentlich hatte sie einen ganz gelassenen Eindruck gemacht. Doch nun erinnerte Julia ihn daran, wie introvertiert seine kleine Schwester immer gewesen war. Eigentlich erstaunlich, dass sie das noch wusste.
Harsch erklärte er: „Samia ist inzwischen eine erwachsene Frau, die sich der Verantwortung ihrem Land und ihrem Volk gegenüber bewusst ist. Von der Verbindung mit Sultan Sadiq können beide Länder profitieren.“
„Dann handelt es sich also um eine Vernunftehe?“
Kaden nickte bestätigend. Wieso hatte er plötzlich das Gefühl, sich verteidigen zu müssen? „Natürlich. Meine Ehe wurde ja auch arrangiert. Und so wird es auch bei der nächsten sein.“ Ironisch zog er eine Augenbraue hoch. „Du hast wohl aus Liebe geheiratet, oder? Trotzdem wurde auch deine Ehe geschieden.“
Julia ließ sich nicht anmerken, dass es ihr einen Stich versetzt hatte, als er seine nächste Ehe erwähnte, und wich seinem fragenden Blick aus. Hatte sie aus Liebe geheiratet? Eigentlich schon. Schließlich hatten John und sie sich freiwillig das Jawort gegeben. Niemand hatte sie dazu gezwungen. Doch von ganzem Herzen hatte sie John nicht geliebt, und das hatte er auch gewusst.
Es schmerzte sie, sich jetzt ausgerechnet vor dem Mann rechtfertigen zu müssen, der ihr so viel Kummer bereitet hatte. Widerstrebend sah sie ihn an. „Ja, auch meine Ehe ist gescheitert“, gab sie zu. „Ich weiß aber, dass viele Vernunftehen sehr gut funktionieren, und hoffe, dass Samia glücklich wird.“
„Kinder?“
Das klang so knapp und undeutlich, dass Julia nachfragen musste. „Kinder?“
Kaden nickte.
Ein erneuter Schmerz durchzuckte sie. Das Bild ihres verlegenen Ehemannes erschien vor ihrem geistigen Auge. Er hatte sich immer weiter in sein Schneckenhaus zurückgezogen, als er von seinem Unvermögen erfahren hatte. Das war der Anfang vom Ende ihrer Ehe gewesen. „Nein, sonst wäre ich wohl kaum hier“, erklärte sie entrüstet. Verflixt, jetzt hatte sie zu viel verraten. Kaden könnte auf die Idee kommen zu hinterfragen, warum sie seiner Einladung gefolgt war. „Mein Mann – Exmann – konnte nicht … wir hatten Probleme … Und du? Hast du Kinder?“
Wieder dieser spöttische Blick. Wozu diese Frage? Es war doch allgemein bekannt, dass seine Ehe kinderlos geblieben war. „Nein.“ Er presste die Lippen zusammen.
Julia fröstelte. Genauso hatte er ausgesehen, als er damals so schroff mit ihr Schluss gemacht hatte!
„Meine Exschwiegermutter wäre fast im Kindbett gestorben und hat ihrer Tochter Horrorgeschichten über die Geburt erzählt. Amira hat daraufhin panische Angst vor einer Schwangerschaft entwickelt. Als sie dann tatsächlich schwanger wurde, hat sie das Kind sofort abtreiben lassen – ohne mein Wissen. Daraufhin habe ich die Scheidung eingereicht.“
Er fing Julias entsetzten Blick auf. Natürlich klang das brutal! Kaden biss sich auf die Lippe. Wie kam er nur dazu, so offen darüber zu sprechen? Bisher war der Scheidungsgrund ein wohlgehütetes Geheimnis gewesen. Das Drama seiner Ehe lief wie ein Film
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