Julia Extra Band 159
scheint sein inneres Gleichgewicht durch den Unfall verloren zu haben, dachte Cass voll Mitgefühl. Auch wenn er es nicht zugeben mochte, er würde lernen müssen mit seiner Behinderung zu leben.
„Hast du schon fertig trainiert?" fragte er, als sie ihm den Stock gab.
Cass schaute auf ihre Armbanduhr. „Nein, aber ich muß zurück, denn wir haben heute wieder eine Touristengruppe, und ich helfe beim Servieren." Sie zögerte. Eigentlich wollte sie ihm ja von Jack erzählen, doch durch die Nachricht seines Unfalls war sie ganz davon abgekommen. Dem spontanen Einfall nachgebend, fügte sie wie beiläufig hinzu: „Außerdem muß ich noch das Baby füttern."
Gifford stutzte und wurde hellhörig. „Welches Baby?" „Jack." Sie holte tief Luft. „Mein Baby!"
Es folgte ein langes Schweigen.
„Stephen", sagte er dann bedächtig, „deutete so etwas an, aber ich dachte, er phantasiert."
Gifford war früher kaum jemals eifersüchtig gewesen. Doch jetzt war es ihm, als zerreiße ihm dieses Gefühl die Brust. Wie dumm war er doch gewesen, daß er die Beziehung zu Cass damals abgebrochen hatte! Okay, er hatte Angst gehabt, sich zu binden, und war unsicher gewesen ...
„Stephen?" wiederholte Cass erstaunt.
„Wir haben einmal Ende des Jahres zusammen telefoniert. Ich wollte wissen, wie es dir geht ..."
„Davon hat er nie etwas erzählt."
„Er sagte, du seiest bei ihm eingezogen."
Sie nickte. „Mein Vermieter kündigte mir, weil er das Haus verkaufen wollte. Stephen schlug mir dann vor, bei ihm einzuziehen. Er hat ja Platz genug."
„Platz für dich - und Jack?"
„Genau."
„Jack ....ist also ... sein Sohn." Gifford rieb sich über die Stirn. „Du mußt jetzt gehen", meinte er dann zu Cass.
Verwirrt schaute sie ihn an. Jack war Stephens Sohn? Was redete Gifford da bloß? „Gehen?" fragte sie geistesabwesend. „Ach, ja, richtig." Ganz benommen zog sie sich die Shorts über und griff dann nach den Plastiktüten.
„Ciao", sagte Gifford.
„Eh ... ciao", antwortete Cass.
3
Cass sah erst zur einen Seite des Tisches, wo Edith saß, dann zu dem selbstbewußt lächelnden Kirk Weber auf der anderen Seite.
Als er anrief und um eine Unterredung bat, war sie unendlich erleichtert gewesen. Was lange währt, wird endlich gut, hatte sie gedacht. Aber innerhalb der letzten Minuten war ihre Hoffnung zerplatzt wie eine Seifenblase.
„Das können Sie nicht tun!" protestierte Edith ängstlich.
„Nun, ich verfüge nicht über unbegrenzte Mittel und wäre ein Idiot, mehr zu bezahlen", meinte Kirk. „Das können Sie akzeptieren oder auch nicht."
„Das Eden besitzt Charme, und die Lage ist erstklassig", teilte ihm Cass entschlossen mit. „Natürlich müssen die Cottages renoviert werden, aber ..."
Kirk erhob sich und ging zur Tür. „Ich erwarte Ihre Antwort bis morgen."
Während Edith wie betäubt sitzen blieb, folgte ihm Cass. „Was Sie tun, ist unmoralisch", beklagte sie sich.
Lächelnd legte er den Arm um ihre Taille und zog sie eng an sich. „Na, na, meine liebste Cassie, Sie müssen das nicht persönlich nehmen! Ich möchte, daß wir Freunde werden ..."
„Und ich möchte, daß Sie sich an die Spielregeln halten. Lassen Sie mich sofort los!" rief sie empört.
Er nahm seinen Arm weg. „Wir sehen uns morgen", verabschiedete er sich, immer noch lächelnd, setzte sich ins Auto und fuhr davon.
Cass rieb sich die schmerzende Stirn. Wie konnte sie Edith nur helfen? Sie wollte sich gerade umdrehen und ins Haus gehen, da sah sie Gifford an seinem Stock humpelnd daherkommen. Er trug ein helles Hemd, verwaschene Jeans und hatte eine Sonnenbrille auf. Auch das noch! Eigentlich hatte Cass für diesen Tag schon genug Aufregendes erlebt
„Wer war denn der Typ, mit dem du dich eben abgeknutscht hast?" wollte er wissen, als er schließlich vor ihr stand.
„Kirk Weber, aber ich ..."
„Der, der das Eden kaufen will? Nun, mir gefiel er überhaupt nicht, aber du bist wahrscheinlich anderer Meinung." In diesem Moment bemerkte Gifford Edith, die leise vor sich hin weinend an einem der Restauranttische saß. „Ist etwas passiert?" fragte er besorgt, ging zu ihr hinüber und setzte sich.
Cass nahm ebenfalls Platz. „Kirk hat uns gerade erklärt, daß er nicht die Absicht hat, den vollen Preis zu zahlen", erklärte sie.
„Was heißt ,nicht den vollen Preis?" fragte Gifford erstaunt. „Wieviel will er denn bieten?"
Sie seufzte laut. „Die Hälfte der ursprünglich geforderten Summe. "
Er fluchte laut. „Das
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