Julia Extra Band 356 - Ebook
angenommen, ihre großen Augen strahlten regelrecht unter den langen Wimpern hervor. Die lebhaften Farben ihres weit schwingenden Tops standen in auffallendem Kontrast zu dem weißen Brautkleid von damals, das er in Erinnerung hatte. Sie schien ein wenig zugenommen zu haben, ihre Hüften waren runder geworden, und ihm gefiel ihr vollerer Busen, der sich unter der leichten Baumwolle hervorhob. Außerdem nahm er wieder ihr Parfüm wahr, das schon einmal sein Untergang gewesen war …
Sie sah anders aus. Was war ihr in den vier Monaten seit der Nacht in dem Hotel widerfahren? Etwas hatte dieses warme Schimmern bei ihr hervorgerufen. Ein anderer Mann? Unwillkommene Eifersucht durchzuckte ihn.
„Du hast behauptet, du würdest nichts besitzen. Die Weinberge hier und das Gestüt hast du praktischerweise verschwiegen.“
„Du bist auch nicht gerade ins Detail gegangen, nicht wahr, meine liebe Miss …“ Er brach abrupt ab. Der Name „Miss Jones“ mochte in jener verrückten Nacht passend geklungen haben, doch der Realität hielt er nicht stand. „Wie heißt du eigentlich? Ich kann dich nicht noch immer Miss Jones nennen.“
„Warum nicht?“, konterte sie schnippisch. „Es funktioniert genauso gut wie Carlos Diablo. Hätte ich nicht nach etwas zum Anziehen gesucht und deinen Pass gefunden, hätte ich nie erfahren, wer du in Wirklichkeit bist. Aber genau das wolltest du ja auch, oder? Deshalb hast du einen Namen erfunden.“
„Nicht erfunden. Diablo ist mein anderer Name.“ Er mochte mit einem stolzen Familiennamen aufgewachsen sein, doch als er erfuhr, wer sein echter Vater war, hatte er diesen Namen und seine Familiengeschichte verloren. Javier Ortega, der Mann, den er für seinen Großvater gehalten hatte, hatte ihn hinausgeworfen und ihm den Rücken gekehrt. Weshalb es so verwunderlich war, dass der sture alte Kerl ihn wieder zurückbeordert hatte.
Jetzt, da Carlos hier Miss Jones begegnet war, fragte er sich allerdings, ob sie vielleicht etwas damit zu tun hatte.
„Auf jeden Fall ist es nicht dein richtiger Name. Aber vermutlich reichte der aus, wenn du nur vorhattest, mich zu verführen und dann weiterzuziehen.“
„Du hast deinen Teil zu der Verführung beigetragen, vergiss das nicht. Und du warst es, die das Weiterziehen übernommen hat.“
„Du hast doch nicht etwa erwartet, dass ich da in dem Zimmer sitze und auf dich warte?“
„Ehrlich gesagt … ja.“
„Ich sehe nicht ganz, warum.“ Sie zuckte die Schultern. „Keiner von uns hat nach einer Beziehung gesucht. Was wir miteinander hatten, war gut – für eine Nacht. Wir schuldeten einander nichts.“
„Nicht einmal einen Namen?“
Bevor sie etwas erwidern konnte, wurde ein leises Summen hörbar.
„Marta?“ Javier Ortega klang ungeduldig und gereizt. „Kriegen wir heute noch etwas zu essen, oder wolltest du den ganzen Abend in der Küche verbringen?“
„Ist alles gleich fertig“, versicherte sie und drehte sich lächelnd zu Javier um. Offensichtlich glättete ihr versöhnlicher Ton sein gesträubtes Fell. Carlos konnte es kaum fassen, aber die Andeutung eines Lächelns zuckte um den Mund des Alten. „Warum gehen du und Carlos nicht schon ins Esszimmer vor? In ein paar Minuten trage ich dann auf.“ Sie wandte sich an Carlos. „Schenkt euch doch einen Drink vor dem Essen ein.“
„Mache ich.“ Carlos sah Javier nach, der mit dem Rollstuhl umschwenkte und Richtung Esszimmer rollte. Wie lange schon hatte er keinen so zufriedenen Ausdruck mehr auf Javiers Gesicht gesehen? Er drehte sich zu ihr um. „Marta …?“
„Eigentlich heiße ich Martha.“ Sie griff nach den Topflappen. „Aber Javier spricht es ‚Marta‘ aus.“
„Martha Jones … davon ausgehend, dass ‚Jones‘ stimmt.“
„Es stimmt. Ich habe dir nur einen Teil meines Namens genannt, aber ich war nicht diejenige, die gelogen hat.“
„Ich habe nicht gelogen“, bestritt Carlos sofort.
Sie ging ihm unter die Haut, nicht nur, weil sie ihn einen Lügner nannte. Sie hatte sich vorgebeugt, um den Braten aus dem Backofen zu nehmen, und sein Körper reagierte auf die ursprünglichste Art. Die Hitze, die aus der offenen Herdklappe strömte, verstärkte den Duft ihres Parfüms zudem noch. Es stieg ihm zu Kopf, berauschte ihn wie eine mächtige Droge.
„Diablo – Ortega?“, spottete sie. „Ein Name davon entspricht nicht der Wahrheit.“
„Das ist kompliziert.“ Kompliziert und persönlich. So persönlich, dass er es nicht mit ihr teilen wollte.
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