Julia Extra Band 358
wie er ihn beim Tod seiner Mutter erlitten hatte, möglicherweise erst recht nach Liebe. Vasilii dagegen wollte alles in seiner Macht Stehende dafür tun, sich niemals wieder ernsthaft verletzbar zu machen. Weder durch eine Frau, der er seine Liebe schenkte, noch durch Kinder, die er mit ihr bekommen könnte. Er würde es nicht ertragen, weitere Angehörige zu verlieren …
Laura Westcotte und er hatten tatsächlich etwas gemeinsam, sie hatte ihre Eltern verloren. Und das in einem ähnlichen Alter wie er. Ihm war zumindest noch der Vater geblieben, sie dagegen hatte nur ihre alte Tante. Und für die wollte sie nach Kräften sorgen. Steckte da etwa ein guter Kern in ihr? Ein Funken guter Absichten?
Er stellte das Foto wieder ab und drehte sich zum Arbeitstisch um. Energisch verdrängte er die Frau aus seinen privaten Gedanken – dort hatte sie absolut nichts zu suchen. Es gab gute Gründe, ihr zu misstrauen und sie abzulehnen, auch wenn es ihm merkwürdigerweise ziemlich schwerfiel.
3. KAPITEL
Nachdem sie sich im Internet über Wetter und Klima in Montenegro informiert hatte, entschied sich Laura für ein bequemes knitterfreies Jerseykleid in Schwarz und Grün, das zugleich raffiniert und elegant aussah. Dazu trug sie eine leichte Jacke und halbhohe Schnürstiefel.
Vasilii hatte ihr am Telefon kurz mitgeteilt, dass sie in einem exklusiven Resort absteigen würden, und sie wollte angemessen gekleidet sein. Nicht zu förmlich, aber auch auf keinen Fall zu lässig.
Sorgfältig verstaute sie die Unterlagen, die er ihr überlassen hatte, in ihrer Laptoptasche. Dann holte sie aus der hintersten Ecke ihres Schranks ihren kostbarsten Besitz hervor: eine antike Schmuckschatulle aus Hongkong, üppig verziert und überaus wertvoll. Der eigentliche Wert bestand für Laura allerdings in der Tatsache, dass sie ein Geschenk ihres Vaters an ihre Mutter gewesen war. Die Hände ihrer Eltern hatten sie berührt, die beiden hatten einander ganz sicher dabei angelächelt, und für Laura war sie ein Andenken, das sie wie einen Schatz hütete.
Im Boden der Schatulle war das Geheimfach eingearbeitet, das sie seit vielen Jahren nicht mehr geöffnet hatte. Mit zitternden Händen zog Laura das alte, fast vergessene Foto von Vasilii heraus. Eigentlich hätte sie es längst wegwerfen müssen.
Spontan riss sie es in der Mitte durch, doch anstatt beide Hälften im Papierkorb zu entsorgen, schob sie die Schnipsel zögernd zurück in das versteckte Fach. Vielleicht als zukünftige Warnung vor weiteren Fantasien, in denen Vasilii die Hauptrolle spielte!
Mit einem Seufzer nahm sie die goldenen Ohrstecker ihrer Mutter an sich. Die teuren Stücke sollten Laura Selbstvertrauen für die schwierigen Tage schenken, die vor ihr lagen …
Als Laura zwei Stunden später neben Vasilii in dem Wagen saß, der sie zum Londoner City Airport fuhr, lag ihr die Enttäuschung wie ein schwerer Stein in der Magengrube. Vasilii schenkte ihr keinerlei Aufmerksamkeit, sondern beschäftigte sich fast ununterbrochen mit seinem Handy.
Sie selbst spürte seine Anwesenheit mit jeder Faser ihres Körpers. Doch das musste ja nicht viel heißen. Es gab eben Männer, die das gewisse Etwas hatten und deren Erscheinung Frauen förmlich dazu zwang, sie als Männer wahrzunehmen.
Was Laura wohl gesagt hätte, wenn sie gewusst hätte, dass Vasilii sich absichtlich mit seinem Handy ablenkte, um sie nicht permanent anzustarren?
Von der Luxuslimousine stiegen sie in einen ebenso luxuriösen Helikopter um, der sie zum Flughafen Luton bringen sollte. Laura war schon früher mit wohlhabenden Kunden verreist, und ein Flug im Hubschrauber war nicht unbedingt etwas Besonderes für sie. Trotzdem war sie unheimlich nervös, und das konnte nur an ihrem speziellen Begleiter liegen.
In Luton wartete bereits der startklare Privatjet auf sie, der Laura von innen eher wie ein großes mobiles Büro vorkam, mit dem man in die Lüfte steigen konnte. Sie kannte Jets mit allen möglichen komfortablen Ausstattungen, aber so modern und effizient eingerichtet war noch keiner gewesen. Glas, Chrom und schwarze Ledersitze.
Vasilii verlor keine Zeit und machte sich sofort an die Arbeit, indem er seinen Laptop hervorholte. Ein uniformierter Steward war ständig präsent, erkundigte sich nach ihren Wünschen und versorgte die beiden mit Kaffee.
Stumm vertiefte sich Vasilii in seine Unterlagen, während Laura sich ihrerseits mit dem Projektordner beschäftigte, den er ihr am Vortag ausgehändigt
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