Julia Extra Band 358
weißt du genau“, konterte Jo sarkastisch. „Ich brauche eine neue beste Freundin. Mein Traummann hätte nebenan einziehen können.“
„Seit wann bist du auf der Suche nach einem Traummann? Außerdem bleibt er ja nicht lange. Er hat einen befristeten Mietvertrag.“
„Wenn er ihn verlängert, bastele ich eine Voodoopuppe und steche tausend Nadeln rein.“ Jo wandte sich vom Spiegel ab, vor dem sie gerade eine Modenschau veranstaltet hatte, und ging in die Küche. „Aber ich soll zuerst ausziehen.“
Angesichts der Wohnsituation in Manhattan musste sie ihrer Freundin nicht erklären, wie anmaßend Daniels Annahme war, sie würde hier weggehen. Das Apartment, das sie mit Olivia geteilt hatte – und manchmal immer noch mit Jess teilte –, war groß und gehörte ihr.
Sie hatte nicht so lange so hart gearbeitet, um wieder an einem Ort zu landen, den sie für immer hinter sich gelassen hatte.
„Hast du ihn schon gesehen? Und, ist Blut geflossen?“
„Noch nicht.“ Jo nahm die Kanne aus der Kaffeemaschine und seufzte, als laute Musik von der anderen Seite des Flurs erklang. „Hörst du das?“ Sie hielt das Telefon auf Armeslänge von sich.
„Mein Bruder und Rockmusik passen zusammen wie …“
„Der Teufel und ewige Verdammnis?“, warf Jo ein.
„Dies ist wahrscheinlich nicht der günstigste Zeitpunkt, um dir zu eröffnen, dass er auch zur Hochzeit kommt, oder?“
„Ich dachte, er wolle sich nicht verkleiden. Wie habt ihr ihn dazu überredet?“
„Genauso wie wir ihn letzten Monat zur Geburtstagsfeier seiner Nichte bekommen haben. Aber diesmal hat Blake uns geholfen …“
Offenbar hatte Livs neuer Verlobter also zusammen mit Danny beim Pokern mit dessen Brüdern verloren. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als Jo Kaffeepulver in den Filter füllte.
„Und, wie sah er aus?“
„So wie immer. Warum?“, fragte Jo argwöhnisch.
„Anscheinend hast du heute noch keine Nachrichten gesehen.“
„Nein.“ Jo ging ins Wohnzimmer, um den Fernseher einzuschalten. „Was habe ich verpasst?“
„Wart’s ab …“
Wenige Sekunden später kam der Bericht auf dem Nachrichtensender. Da sie die Lautstärke nicht so weit aufdrehen wollte, las Jo den Text unten am Rand. Ein Officer aus dem Rettungsdienst hatte einen Mann auf der Williamsburg Bridge gerettet und dabei vermutlich seinen Sicherungsgurt geöffnet. Die Kamera zeigte eine Gestalt zwischen den Tragseilen, die mit dem Arm wedelte, während eine andere sich auf sie zu bewegte. Einen Schreckensmoment lang schien es, als würden beide abstürzen, bis sie in letzter Sekunde von anderen Mitarbeitern des Rettungsdiensts in Sicherheit gebracht wurden.
Während die Schaulustigen im Fernseher applaudierten, schüttelte Jo den Kopf. „Das kann doch nicht wahr sein!“
„Ich weiß.“ Olivia seufzte. „Mom ist außer sich, weil sie ihn telefonisch nicht erreichen kann. Es war schon schlimm genug für sie, als er im Ausland war …“
Wütend blickte Jo zur Tür. „Ich rufe dich gleich zurück.“
Im Treppenhaus musste sie erst einige Male mit der Faust an die Tür hämmern, bis die Musik leise gedreht und geöffnet wurde.
„Ruf sofort deine Mutter an.“ Sie hielt Daniel das Handy entgegen.
„Was ist los?“
Schwang da etwa Besorgnis in seiner Stimme mit? Jo drehte das Telefon um, drückte auf die Kurzwahltaste und hielt es sich ans Ohr.
„Du bist ein rücksichtsloser Mistkerl“, sagte sie leise.
Als seine Mutter sich meldete, reichte Jo ihm das Handy wieder.
„Nein, ich bin es. Mir geht es gut.“ Dann wich er einen Schritt zurück und machte ihr die Tür vor der Nase zu.
Zurück in ihrer Wohnung, fluchte sie leise, weil er ihr Handy behalten hatte. Nach kurzem Überlegen kehrte sie in die Küche zurück, wo sie das Festnetztelefon holte und einen Blick auf einen der unzähligen Notizzettel auf dem Kühlschrank warf, bevor sie die neue Telefonnummer seiner Schwester wählte.
„Er spricht gerade mit deiner Mutter. Und ich habe ihm gesagt, was ich von ihm halte.“
„Wirklich?“
Jo schaltete die Kaffeemaschine ein. „Ich hatte noch nie ein Problem damit, ihm meine Meinung zu sagen.“
Im nächsten Moment klopfte es an der Tür.
„Warte.“ Als sie öffnete und Daniel in die blauen Augen sah, nahm sie ihm das Handy weg und reichte ihm dafür das andere Telefon. „Deine Schwester.“
„Hallo, Schwesterherz, was gibt’s?“, fragte er, während er hereinkam.
Nachdem sie sich von dem ersten Schreck erholt hatte, schloss
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