Julia Extra Band 358
herrlichen Tag wie diesem. Dann betrachtete sie den Bogen und stellte sich vor, sie würde sich in der französischen Hauptstadt befinden.
Und immer schwor sie sich, bald dorthin zu reisen.
Und da sie in der Redaktion in der engeren Auswahl immer mehr nach oben rückte, hatte sie das Gefühl, ihrem Ziel näher denn je zu sein.
Als sie nun Daniel anblickte und den Ausdruck in seinen Augen bemerkte, verspürte sie wie immer ein erregendes Prickeln. „Ich meine, womit vertreibst du dir die Zeit, wenn du nicht arbeitest?“
„Ich jogge oder gehe ins Fitnessstudio. Ich verbringe viele Stunden damit, die körperliche Leistungskraft zu erhalten, in deren Genuss du jetzt endlich kommst …“
Dann schenkte er ihr sein berüchtigtes Lächeln.
Wow! Sie hatte ganz vergessen, wie es auf sie wirkte.
Aber da sie die Erinnerungen an das letzte Mal, als er sie so angelächelt hatte, so tief begraben hatte, dass es einen guten Grund dafür geben musste, beschloss sie, nicht daran zu rühren. „Wie lange ist es her, dass du dich mit deinen Kumpels auf ein Bier getroffen oder mit ihnen im Park Fußball gespielt hast?“
„Wir haben Fußball gespielt, als wir im Ausland waren. Wir hatten nicht viele andere Möglichkeiten, wenn wir nicht gerade unter Beschuss standen.“
Sie konnte nicht nachvollziehen, warum er derart lässig über seine Zeit dort sprach, wenn die Ereignisse ihn immer noch quälten. Bisher hatten sie nicht über den Grund für seine Albträume gesprochen, aber wenn sie sich besser verstanden …
„Viele E-Mails habe ich ja nicht gerade bekommen“, bemerkte Daniel, bevor Jo etwas erwidern konnte.
Sie schüttelte den Kopf. „Du wolltest doch gar nicht von mir hören.“
„Du würdest dich wundern, wenn du wüsstest, was eine E-Mail für einen Marine bedeutet, der in einem Kriegsgebiet stationiert ist.“ Nachdem er nach einer Bank Ausschau gehalten hatte, legte er Jo die Hand auf den Rücken und führte sie dorthin. „Es ist wie ein Stück Heimat. Einige Jungs brauchten das.“
„Hätte ich es geahnt, hätte ich dir geschrieben“, sagte sie lächelnd. „Ich hätte dich über die Ereignisse in Manhattan auf dem Laufenden gehalten.“
„Und hätte ich auch Tipps für den modebewussten Marine bekommen?“
„Soweit ich weiß, steht Camouflage diese Saison hoch im Kurs.“
„Vielleicht lasse ich dich ja das nächste Mal schreiben, wenn ich weg bin.“
„Gehst du denn wieder ins Ausland?“
„In nächster Zeit wohl nicht.“ Daniel klang enttäuscht. „Ich muss erst in drei Monaten entscheiden, ob ich den Vertrag verlängere.“
„Du hast dich schon entschieden, stimmt’s?“
„Einmal Marine, immer Marine.“
Die Vorstellung, dass er wieder ins Ausland ging, gefiel Jo überhaupt nicht. Von nun an würde sie auch schlecht schlafen. „Du bist auch Cop. Bedeutet dir das denn überhaupt nichts?“
„Ich bin beides lange gewesen.“
„Ich weiß, aber du bist ja eher mit den Marines verheiratet und hast sozusagen ein Verhältnis mit dem NYPD.“
„Ein Verhältnis zu haben ist nicht meine Art“, erklärte er ernst.
Das wusste sie. Er war nicht der Typ, der eine Frau betrog. Das lag bei ihm in der Familie.
„Oder vielmehr bist du dem einen treuer als dem anderen. Semper fi – ‚Immer treu‘ lautet das Motto, stimmt’s?“
Nun lächelte er. „Die Marines sind meine erste große Liebe. Die vergisst man nie. Cop zu sein ist etwas anderes. Das ist eine Ehe, die man schon vor meiner Geburt für mich arrangiert hatte.“
„Wolltest du denn kein Polizist werden?“
„Sagen wir, es hat eine Weile gedauert, bis ich meine Nische gefunden habe.“
Da sie immer davon ausgegangen war, dass alle Brannigans dieselbe Berufung hatten, blickte sie ihn überrascht an. „Und warum hast du dann den Dienst bei den Marines quittiert?“
„Das habe ich nicht.“
„Du bist zur Reserve gegangen und dann nach Hause zurückgekehrt.“
„Die Dinge ändern sich eben.“
„Und, bereust du es?“, erkundigte sie sich, als sie sich auf die Bank setzte.
„An guten Tagen nicht“, erwiderte er.
Ironischerweise hatte sie ihm vorgeworfen, er würde sie überhaupt nicht kennen, und nun entdeckte sie so viele neue Seiten an ihm. Eigentlich hielt sie sich für einen Menschen, der anderen immer einen Vertrauensvorschuss gab. Daniel gegenüber war sie allerdings immer argwöhnisch gewesen, und dieses Misstrauen war mit jeder Begegnung gewachsen. Und es würde sicher noch eine Weile dauern, bis sie es
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